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BIOACID II – Konsortium 5: Dienstleistungen des Ozeans

Katrin Rehdanz (Institut für Weltwirtschaft, Kiel und CAU, Kiel) und Martin Quaas (CAU, Kiel)

Konsortium 5 „Dienstleistungen des Ozeans“ hat sich zum Ziel gesetzt, gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen der Ozeanversauerung genauer zu untersuchen und zu beispielhaft zu beziffern. Ihre Ergebnisse verdeutlichen verschiedenen Interessengruppen die Folgen ihres Verhaltens und zeigen Möglichkeiten auf, den Klimaschutz zu steigern oder sich an mögliche Folgen anzupassen. Auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse können sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam engagieren. So stellen sie sicher, dass die Ozeane weiterhin Nahrung und Energie liefern, Erholung und Gesundheit fördern, den Tourismus als Wirtschaftsfaktor antreiben oder – und dieser Service wird als ökonomisch bedeutendster betrachtet – Kohlendioxid aus der Atmosphäre speichern und damit den Klimawandel verlangsamen.

Wird der Ozean der Zukunft ausreichend Fisch zur Ernährung der Weltbevölkerung liefern? Foto: Maike Nicolai, GEOMAR

Anhand von Modellberechnungen verdeutlichen die Mitglieder des Konsortiums, welche Auswirkungen die Nutzung der Meere auf diese hat und wie sich die Nutzungsmöglichkeiten zukünftig verändern werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Funktion des Ozeans als CO2-Senke und die Fischerei.

Im Jahr 2008 stieg der Anteil des Kohlenstoffs in den Weltmeeren um 2,3 Gigatonnen. Das entspricht 8,4 Gigatonnen CO2. Im Emissionshandelsschema der Europäischen Union wird eine Tonne CO2-Emissionen mit zehn Euro berechnet. Würde der Ozean in Folge des Klimawandels pro Jahr nur ein Prozent weniger CO2 aufnehmen, entstünden gesellschaftliche Kosten in Höhe von etwa 0,84 Milliarden Euro. Eine derartige Entwicklung liegt nahe. Grund Nummer eins ist die Tatsache, dass wärmeres Wasser weniger CO2 aufnimmt als kälteres. Zweitens scheint die Ozeanversauerung dazu zu führen, dass viele Plankton-Organismen weniger Kalk ausbilden und dem Wasser somit im Zuge ihres Wachstums weniger Kohlenstoff entziehen. So gerät der natürliche CO2-Speicher an seine Grenzen.

Durch den Klimawandel verursachte Veränderungen innerhalb der Plankton-Gemeinschaft wirken sich nach und nach auch auf die Fischbestände aus – denn das Plankton steht an der Basis des marinen Nahrungsgefüges. Doch auch direkte Folgen etwa für das Verbreitungsgebiet, das Wachstum oder wichtige Körperfunktionen der Fische sind bekannt. Auf globaler und auf regionaler Ebene ermitteln Biologen und Ökonomen daher, mit welchen Veränderungen die Seefischerei zu rechnen hat und welche Gegenmaßnahmen sich ergreifen ließen.

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BIOACID II – Konsortium 5: Dienstleistungen des Ozeans

Leitung: Katrin Rehdanz (Kiel Institute for the World Economy and CAU, Kiel)
Martin Quaas (CAU, Kiel)

Die Ozeanversauerung (Ocean Acidification, OA) ist in letzter Zeit in politischen Kreisen zunehmend zur Kenntnis genommen worden aufgrund einer zunehmenden Zahl von Studien über biologische und ökologische Auswirkungen der Ozeanversauerung (z.B. Turley et al., 2010). Allerdings sind Schätzungen der sozioökonomischen Auswirkungen noch immer kaum vorhanden (Brander et al., 2009; Cooley und Doney, 2009; Cooley et al., 2011; Narita et al., 2011), obwohl diese Auswirkungen wichtige Informationen für die Formulierung internationaler Politikstrategien zur Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie für Klima-Engineering und Anpassungsstrategien darstellen. Daher hat die Forschung zu sozioökonomischen Auswirkungen der Ozeanversauerung eine starke politische Relevanz.

Die Ozeane liefern Waren und Dienstleistungen, die direkt und indirekt durch menschliche Gemeinschaften und Volkswirtschaften genutzt werden. Dazu zählen Ernährung und Gesundheit, Energie, Bodenschätze und Systemdienste. Dienstleistungen des Ozeans umfassen Dienstleistungen des Ökosystems (z.B. Fische und Meeresfrüchte, Artenvielfalt, Tourismus) sowie die Rolle des Ozeans im Klimasystem. Abb. 5.1 bietet einen Überblick über die Kategorien der Ökosystem-Dienstleistungen einschließlich derjenigen des Ozeans.

Zu den wirtschaftlich bedeutendsten Dienstleistungen des Ozeans zählen CO2-Speicherung (Klimaregulierung) und Fischerei (Nahrungsbeschaffung). Im Jahr 2008 stieg der ozeanische Kohlenstoffgehalt um 2.3 ± 0.4 Gigatonnen (Gt) Kohlenstoff, das entspricht 8.4 Gt CO2 (Le Quéré et al., 2009). Beim derzeitigen Preis von ca. 10 Euro für eine Tonne CO2-Emissionen im Emissionshandelsschema der EU, einer sehr konservativen Schätzung der gesellschaftlichen Kosten der CO2-Emissionen, würde ein 1%iger Rückgang oder Anstieg dieser Dienstleistung des Ozeans Kosten bzw. einen Wert in Höhe von 0.84 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Die weltweite Seefischerei bringt etwa 80 Millionen Tonnen Fisch pro Jahr an Land und erwirtschaftet damit einen Umsatz von rund 65 Milliarden Euro pro Jahr, hat jedoch ebenfalls große Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme (World Ocean Review, 2010).

Die Versauerung der Meere steht in Wechselwirkung mit diesen wirtschaftlich bedeutenden Ressourcen und Dienstleistungen des Ozeans (Abb. 5.2). Am unmittelbarsten ist die Ozeanversauerung eine Folge der Nutzung der Meere als Senke für anthropogenes CO2. Allerdings wird die Menge des in den Ozeanen gespeicherten CO2 auch durch Änderungen des Meeres beeinflusst, einschließlich der Prozesse der Versauerung und Erwärmung, da die Biogeochemie des Ozeans von diesen Prozessen betroffen ist. Diese Wirkungen müssen im globalen Maßstab quantifiziert und die damit verbundenen Unsicherheiten beurteilt werden. Dies wird auch durch die wachsende Zahl von interdisziplinären Tagungen und Workshops zum Thema bestätigt (z.B. The Monaco Environment and Economics Dialogue).

Ozeanversauerung wirkt sich auf andere wertvolle Ozean-Dienstleistungen einschließlich Fischerei und diverse Dienstleistungen, die von Korallenriffen zur Verfügung gestellt werden, aus. Die Auswirkungen auf Menschen hängen von der Verletzlichkeit, Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit bestimmter Gemeinschaften oder Individuen ab. Die Auswirkungen auf die Fischerei und andere gesellschaftlich wertvolle System-Dienste und die Widerstandsfähigkeit des sozial-ökologischen System benötigen eine Quantifizierung auf lokaler Ebene, da sie vom spezifischen Kontext abhängen, wie verletzlich die Menschen den Umweltveränderungen im Meer gegenüber sind und wie die Menschen in der Lage sind, sich solchen Veränderungen anzupassen. Diese Effekte müssen auch auf globaler Ebene quantifiziert werden, um die Gesamtwirkung und die Verteilungswirkungen der Ozeanversauerung zu beurteilen.

Die Art und Weise, wie Fischbestände verwaltet werden, beeinflusst den marinen Kohlenstoff- Kreislauf (Wilson et al., 2009) mit möglichen Auswirkungen auf die ozeanische CO2-Aufnahme und somit auch die Ozeanversauerung. Es gibt also einen möglichen Trade-off zwischen den Versorgungsdienstleistungen des Ozeans (Fischereiausbeute) und den Regulierungsdienstleistungen des Ozeans in Bezug auf die Aufnahme von anthropogenen CO2. Eine enge Verzahnung von biogeochemischer und ökologischer Modellierung mit einer sozio-ökonomischen Analyse ist erforderlich, um dieses Trade-off-Potenzial in quantitativer Weise aufzuklären.

Um sicherzustellen, dass wissenschaftliche Ergebnisse am effektivsten bei Anpassung und politischen Entscheidungen angewandt werden, müssen Ergebnisse der biogeochemischen Modelle und sozioökonomischen Analysen mit den betroffenen Akteuren geteilt werden, vorzugsweise bereits in einem frühen Stadium. Neben der Bewertung von Veränderungen in Ökosystem-Dienstleistungen in objektiv abgeleiteten monetären Größen ist es ratsam, die Interessengruppen ihre vermeintlichen möglichen Schäden selbst schätzen und bewerten zu lassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Beteiligten dann viel eher bereit sind, sich des Problems der Ozeanversauerung anzunehmen, was wiederum die Motivation zur Teilnahme an Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen erhöht.

Allgemeine Zielsetzung

Das allgemeine Ziel des Konsortiums 5 ist die Bewertung und Quantifizierung, wie Ozeanversauerung mit der Bereitstellung und Nutzung von Ozean-Dienstleistungen interagiert, vor allem mit den Leistungen der ozeanischen CO2-Speicherung und Fischerei, um die wissenschaftlichen Unsicherheiten zu reduzieren und die Beteiligten über mögliche Auswirkungen zu informieren und sie in Diskussionen über Möglichkeiten zur Anpassung zu engagieren.

Für CO2-Speicherung existieren bereits mehrere Studien, die die Effekte in physischer Hinsicht durch globale biogeochemische Ozean-Modelle quantifizieren. Unser Hauptinteresse ist die Bewertung und Verringerung der damit verbundenen Unsicherheiten. Arbeitspaket 5.1 konzentriert sich vorrangig auf die Unsicherheit der Modellvorhersagen und zielt auf die Verbesserung der Leistungen durch eine datenbasierte Modellbeurteilung. Arbeitspaket 5.2 wird die Auswirkungen der Umwelt-Variabilität auf die ozeanische Kohlenstoffsenke in einem globalen biogeochemischen Ozean-Modell bewerten.

Die Auswirkungen der möglichen Folgen der Ozeanversauerung auf das Phytoplankton C:N- Verhältnis und damit auf die Nahrungsmittelqualität und Nahrungsnetz-Dynamik werden im Arbeitspaket 5.3 untersucht, und ebenfalls die möglichen Auswirkungen von Veränderungen im Fischereidruck auf die Sterblichkeit von Zooplankton sowie auf die ozeanische biologische Kohlenstoff-Pumpe.

Die Wirkung von Ozeanversauerung auf die Fischerei und andere Dienstleistungen ist viel weniger klar. Ozeanversauerung und Erwärmung (OAW) haben wahrscheinlich eine Auswirkung auf die Bestandsdynamik von kommerziell wichtigen Fischen, da sie wahrscheinlich den Verstärkungs- Erfolg, das Wachstum, die Größe und Ausdehnung geeigneter Lebensräume verändern (Beaugrand, 2009). OAW wird somit Auswirkungen auf das Fangpotential in der Fischerei über Auswirkungen auf die Ökophysiologie und Planktondynamik haben (Cheung et al., 2011). Diese Auswirkungen auf die Fischbestände und deren Reproduktion müssen noch in physischer Hinsicht quantifiziert werden. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der OAW in der Fischerei zu beurteilen, müssen diese Effekte in ökologisch-ökonomische Modelle integriert werden und die wirtschaftlichen Auswirkungen müssen in Hinblick auf die Änderung der Fangmöglichkeiten beurteilt werden. Die vorhandenen ökonomischen Studien weisen auf einen kleineren Einfluss der Ozeanversauerung auf den globalen Wohlstand hin im Vergleich zu den Auswirkungen des Klimawandels (Brander et al., 2009; Narita et al., 2011). Auf regionaler oder lokaler Ebene bestehen erhebliche Unterschiede, jedoch ist wenig detailliertes Wissen vorhanden. Arbeitspaket 5.4 wird sich auf zwei verschiedene Umgebungen unter Berücksichtigung der standortspezifischen Merkmale und verschiedenen Ebenen der wirtschaftlichen Entwicklung konzentrieren. Darüber hinaus, während die Aggregateffekte auf globaler Ebene zwar klein sind, kann es immer noch erhebliche lokale Änderungen im Fischereieinkommen geben (z.B. aufgrund von OAW-induzierter Migration der Fischbestände) und die Effekte können sehr stark vom Management- Regime abhängen. Arbeitspaket 5.5 wird diese Fragen und die Quantifizierung der Aggregat- und Verteilungswirkungen von OAW auf die kommerziell wichtige Kabeljaufischerei untersuchen.

Unterschiede bestehen zwischen den Regionen und Ländern in Bezug auf Anfälligkeit und Anpassungsfähigkeit. Ein Indikator ist die geographische Lage, da es starke regionale Unterschiede bei der ozeanischen Pufferkapazität und Empfindlichkeit gegenüber Versauerung gibt. Wohlstand ist ein weiterer wichtiger Faktor. Die Anpassungsfähigkeit eines relativ reichen Landes in den Tropen kann höher sein und somit die Auswirkungen geringer verglichen mit einem weniger entwickelten Land in den gemäßigten Klimazonen. Für ein Entwicklungsland in den Tropen sind andere Themen wie Bevölkerungswachstum, öffentliche Gesundheit und Bildung vermutlich relevanter. Sollte die Ozeanversauerung die Sicherung der Ernährung beeinflussen, wäre dies ein weiterer Grund zur Besorgnis.

Noch weniger ist über eine mögliche Rückkopplung der Fischerei auf die Ozeanversauerung bekannt, obwohl man weiß, dass Fischerei einen starken Einfluss auf die marinen Ökosysteme ausüben kann und einige Auswirkungen auf den ozeanischen Kohlenstoffkreislauf bereits zuvor quantifiziert worden sind (Wilson et al., 2009). Ein Feedback auf Ozeanversauerung kann vorliegen, wenn trophische Kaskaden von Fischen, die Jagd auf Zooplankton und Phytoplankton machen, die biologische Produktion und die ozeanische biologische Kohlenstoff-Pumpe in erheblichen Umfang beeinträchtigen. Die Arbeitspakete 5.3 und 5.5 werden bei der Untersuchung dieser Feedback-Effekte und Quantifizierung auf globaler Ebene zusammenarbeiten.

Auswirkungen auf Ökosystem-Dienstleistungen sind regional spezifisch und etwaige Bewertungsmethoden sind von lokalen, gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten abhängig. Außerdem können Auswirkungen nur mit erheblichen Unsicherheiten quantifiziert werden, was den Prozess der Anpassung und Politikformulierung noch weiter erschwert. Allerdings müssen Anpassungsstrategien von Wissen und Kenntnis getrieben sein und brauchen eine breite Unterstützung unter den Beteiligten. Arbeitspaket 5.6 wird sich diesem Problem mit einem regionalen Fokus auf die Lebensräume von zwei interagierenden Arten von Kabeljau im Nordatlantik nähern.


Forschungsansätze

Der hier genutzte Forschungsschwerpunkt besteht aus numerischer Modellierung, insbesondere unter Verwendung von globalen biogeochemischen Modellen und ökologisch-ökonomischen Modellen für die Fischerei.

Im Arbeitspaket (AP) 5.1 wird eine datenbasierte Modellevaluierung angewandt, um die zur Vorhersage der ozeanischen CO2-Speicherung genutzten globalen biogeochemischen Modelle zu bewerten und zu kalibrieren.

In AP 5.2 werden die Auswirkungen von Umwelt-Unsicherheiten auf die Speicherung von Kohlenstoff und Versauerung anhand eines globalen biogeochemischen Ozean-Modells untersucht.

In AP 5.3 werden die Auswirkungen der Ozeanversauerung auf biologische Prozesse und das feedback von unterschiedlichen Fischbestandshäufigkeiten auf Ozeanversauerung mittels des UVic Erdsystem- Modells studiert.

In AP 5.4 werden die Auswirkungen der Ozeanversauerung auf die Weichtier-Fischerei entlang der deutsch/dänischen Küste und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen in numerischen Modellen untersucht werden.

In AP 5.5 wird ein ökologisch-ökonomisches Modell der verschiedenen Arten der Kabeljau-Fischerei, das den Effekt von Ozeanversauerung auf Verstärkung und Wachstum der Fische enthält, verwendet, um die Effizienz und die Auswirkungen auf die Verteilung von Ozeanversauerung unter verschiedenen Management-Regimes zu untersuchen. Die Rückkopplung zwischen Fischerei und Ozeanversauerung wird mit einem ähnlichen Modell im globalen Maßstab, das mit dem Erdsystem- Modell von AP 5.3 gekoppelt ist, untersucht.

In AP 5.6 erfolgt die Einbeziehung der beteiligten Parteien durch Aggregation der Ergebnisse aus Arbeitspaketen in Konsortium 4 und 5 in einem verständlichen Rahmen für Präsentation und Diskussion mit den Beteiligten in zwei Workshops (am besten anlässlich der jährlichen Sitzungen im Zusammenhang mit BIOACID). Im Rahmen des Modells werden die Interessengruppen aufgefordert, verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen potenziellen Auswirkungen auf Ökosystem- Dienstleistungen zu erkunden. Darüber hinaus verwenden wir empirische Methoden, um die wirtschaftliche Bedeutung von Auswirkungen der Ozeanversauerung zu bewerten.

In AP 5.4 nutzen wir einen Umfrageansatz mit Choice-Experimenten, um mögliche negative Auswirkungen der Ozeanversauerung auf die Korallenriffe und die zugehörigen Dienstleistungen in Papua-Neuguinea zu bewerten.
Das Arbeitspaket 5.6 beschäftigt sich zusätzlich mit einem Beteiligungsansatz der Betroffenen und Maßnahmen zur Bewertung der Auswirkungen der Ozeanversauerung auf die Dienstleistungen des Ozeans und zur Herleitung von Optionen für ein widerstandsfähiges Management.

 

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BIOACID II – Konsortium 4: Auswirkungen der Ozeanversauerung in einem sich erwärmenden Klima auf Interaktionen zwischen den Arten an den Verteilungsgrenzen: Mechanismen und Konsequenzen auf Ökosystem-Ebene

Dr. Felix Christopher Mark, (AWI, Bremerhaven)

Lebewesen in den Polarregionen werden voraussichtlich am stärksten durch die Ozeanversauerung betroffen sein: In dem kalten Wasser löst sich mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre als in wärmeren Regionen. Auch kältere Körperflüssigkeiten nehmen CO2 leichter und in größeren Mengen auf. Gleichzeitig reagieren auf diesen Lebensraum spezialisierte Tierarten empfindlicher auf den Temperaturanstieg als Spezies aus den gemäßigten Breiten.

Das kältere Wasser der Arktis und Antarktis nimmt mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf als in den gemäßigten Breiten oder der Region um den Äquator. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR

Vor diesem Hintergrund erforscht Konsortium 4, wie der Nordatlantische Bestand des Kabeljaus Gadus morhua und der Polardorsch Boreogadus saida in arktischen Gewässern über ihre Lebenszyklen hinweg nebeneinander existieren. Da der Kabeljau im Zuge des Temperaturanstiegs nach Norden gewandert ist seine Laichplätze in den Norden verschoben hat und Jungtiere häufig in der Region um Spitzbergen anzutreffen sind, entwickelt sich ein starker Wettbewerb mit dem Polardorsch. Als dominante Fischart spielt dieser derzeit eine Schlüsselrolle im arktischen Nahrungsnetz. Die Konkurrenz der beiden Fischarten wird überdies von der Nahrungsverfügbarkeit beeinflusst – sie ernähren sich von Plankton-Organismen, die viel früher auf den Klimawandel reagieren könnten als die Fische selbst.

Erste Forschungsergebnisse geben Aufschluss darüber, wie sich steigende Wassertemperaturen auf die Verbreitung und die Physiologie der beiden konkurrierenden Arten auswirken. Das Wissen darüber, ob ihre Entwicklung oder ihr Verhalten auch durch Hyperkapnie, einen erhöhten Kohlendioxidgehalt im Blut, beeinflusst werden, ist jedoch gering. Davon ausgehend, dass die beiden Arten aufgrund ihrer Herkunft unterschiedlich auf Temperaturanstieg und Ozeanversauerung reagieren und in unterschiedlichem Maße von Hyperkapnie bedroht sind, soll ermittelt werden, wie sich der Wettbewerb zwischen Polardorsch und Kabeljau in den verschiedenen Lebensphasen zukünftig gestaltet.

Die Stärke des Konsortiums liegt in seinem integrativen Ansatz über Ebenen der biologischen Organisation hinweg, vom Genom bis zum Ökosystem. Für verschiedene Laborexperimente werden Larven und Jungfische im Labor, im Freiland und in Aquakultur kultiviert, einzelne Fische werden außerdem im Meer gefangen. Messungen und Analysen sollen zeigen, inwieweit sich die beiden Arten in an wärmere Wassertemperaturen und erhöhte CO2-Konzentrationen anpassen können und ob Fitness und Körperfunktionen beeinträchtigt werden. Im Vergleich über die verschiedenen Lebensstadien hinweg soll auch die empfindlichste Phase identifiziert werden. Darüber hinaus wird untersucht, wie diese Faktoren von Nahrungsqualität und -verfügbarkeit beeinflusst werden.

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Film über die Forschungsarbeiten des Konsoriums 4 auf dem Forschungsschiff HEINCKE vor Spitzbergen und in den Laboren des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

BIOACID II – Konsortium 4: Auswirkungen der Ozeanversauerung in einem sich erwärmenden Klima auf Interaktionen zwischen den Arten an den Verteilungsgrenzen: Mechanismen und Konsequenzen auf Ökosystem-Ebene

Leitung: Dr. Felix Christopher Mark, (AWI, Bremerhaven)

Die Versauerung der Meere ist ein zusätzlicher Stressfaktor, der sich parallel zur laufenden Klimaerwärmung entwickelt. Zukünftige Auswirkungen der Ozeanversauerung auf Organismen und Ökosysteme werden voraussichtlich in den Polargebieten aufgrund erhöhter CO2-Löslichkeit in kaltem Wasser und Körperflüssigkeiten und aufgrund der gleichzeitigen Belastung der Organismen durch die starke Erwärmung am größten sein. Gleichzeitig sind thermische Toleranzfenster enger und damit die Empfindlichkeiten gegenüber kombinierten Stress-Effekten wahrscheinlich in kälte-adaptierten polaren Arten im Vergleich zu gemäßigten Arten höher. Der erwartete Anstieg der Kohlendioxid- Konzentration und der Temperatur in den Ozeanen (800-1.000 μatm bzw. 1-2°C bis zum Jahr 2100 (IPCC, 2007)) erweist sich somit als besonders bedrohlich für arktische Ökosysteme.

Mit der Erwärmung der Ozeane bewegen sich die Fischbestände mit den Wassermassen ihrer bevorzugten Temperaturen, um innerhalb eines physiologisch optimalen Temperaturbereichs zu bleiben, vorausgesetzt, dass weitere Faktoren wie die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und der Wettbewerb mit anderen Arten dies zulassen. Dies ist bereits für mehrere Fischarten in der Nordsee nachgewiesen worden, die sich mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 12 km pro Dekade nach Norden bewegt haben (Drinkwater, 2009; Perry et al., 2005). Als Reaktion auf diesen Erwärmungstrend hat der nordarktische Bestand an Kabeljau (Gadus morhua) ebenfalls die Laichplätze in den Norden (Sundby und Nakken, 2008) verschoben und seine Reichweite bis in die Barentssee (Drinkwater, 2009) erweitert. Für den größten Teil des Jahres werden jugendliche Kabeljaue jetzt häufig in den Küstengewässern vor Spitzbergen (Olsen et al., 2010) angetroffen, was zu einem starken Wettbewerb mit dem einheimischen Polardorsch (Boreogadus saida) führt. Polardorsch ist eine dominante Fischart auf dem arktischen Schelf und gilt als eine Schlüsselspezies in arktischen Ökosystemen. Es ist jedoch nicht klar, wie diese beiden Arten auf lange Sicht interagieren werden und ob die Artenzusammensetzung des Ökosystems auf die Änderungen des Einzugsgebietes des Atlantischen G. morhua in der Arktis reagieren wird (Renaud et al., 2011).

 

Betrachtung des Ökosystems hinsichtlich der Beeinflussung der Interaktionen zwischen den Arten durch die synergistischen Effekte der veränderten Temperatur, des CO2- und Hypoxie-Niveaus, aufbauend auf einem mechanistischen Verständnis. Die Integration von CO2-Empfindlichkeit auf einer thermischen Matrix, definiert von den Grundsätzen der Sauerstoff- und Kapazitätsaufbau-begrenzten thermischen Toleranz, betont, wie Spezies-spezifische Empfindlichkeiten und ihre minimalen Leistungsniveaus Einfluss nehmen auf das Fenster der zeitlichen und räumlichen Überschneidungen, die den emperaturbereich von Koexistenz sowie der Veränderungen in relativer Leistung definieren (modifiziert nach Pörtner und Farrell, 2008; Pörtner, 2010).

Die Auswirkungen der Ozeanerwärmung auf Fischverbreitung und Physiologie wurden zu einem gewissen Grad für den Kabeljau untersucht und dokumentiert (z.B. Colosimo et al., 2003; Lannig et al., 2003; Loeng und Drinkwater, 2007; Mueter et al., 2009; Pörtner et al., 2008; Pörtner et al., 2001; Rose, 2005) und in geringerem Maße auch für den Polardorsch (Gjosaeter und Ajiad, 1994; Graham und Hop, 1995; Hop und Graham, 1995; Nahrgang et al., 2010). Allerdings ist nur sehr wenig darüber bekannt, wie die Physiologie oder Verteilung dieser Arten durch die zusätzlichen Effekte von Hyperkapnie verändert werden. Außerdem fehlen Daten darüber, wie Hyperkapnie die Interaktionen zwischen den Arten, die bereits von der Erwärmung betroffen sind, ändern wird. Mit Kabeljau und Polardorsch als Modellarten schlagen wir deshalb vor, die Wettbewerbs-Wechselwirkung zwischen zwei derzeit koexistierenden arktischen Fischarten unter der kombinierten Wirkung von Ozeanversauerung und Erwärmung (Ocean Acidification and Warming, OAW) in einem Ökosystem der Arktis, dem Kongsfjord in Spitzbergen, zu studieren. In dieser Fallstudie wollen wir Physiologie, Verhalten und Lebenszyklus der Arten Rechnung tragen und die Hypothese, dass diese Arten unterschiedlich von OAW betroffen sein werden, untersuchen, mit der Folge zukünftiger Veränderungen in ihrer Wettbewerbs-Interaktion. In den Küstengewässern vor Spitzbergen findet Kabeljau sich an der nördlichen Grenze seiner geographischen Verteilung und damit am unteren Ende seines thermischen Toleranzbereichs. Das Gegenteil gilt für Polardorsch. Spitzbergen markiert die südliche Grenze seines Verbreitungsgebietes und das obere Ende seines thermischen Toleranzbereichs. Dies bedeutet, dass innerhalb des Bereichs ihrer Koexistenz um Spitzbergen, Kabeljau und Polardorsch sowohl energetisch begrenzt sind und ihre physiologische Leistung sehr anfällig für weitere Stressoren sein sollte. Die zunehmende Konzentration von Kohlendioxid ist eindeutig einer von ihnen (Pörtner, 2010). Aus dieser Perspektive ist es unsere Ansicht, dass die Versauerung der Ozeane ein entscheidender Faktor für die Steuerung der Interaktion der koexistierender Arten sein kann und dass wahrscheinlich das Ergebnis ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten, OAW zu konfrontieren, bestimmt, ob sie z.B. verdrängt oder auf einen weniger günstigen Lebensraum beschränkt werden (Abb. 4.1; Abrams et al., 2008; Matthews et al., 2010).

Für eine ganzheitliche und integrative Analyse der OAW ist es wichtig, die unterschiedlichen Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten der verschiedenen Lebensphasen der beiden Arten sowie deren Wechselwirkung mit ihren Beuteorganismen und damit ihre Abhängigkeit von der Nahrungskette zu berücksichtigen. Frühere Untersuchungen über die Auswirkungen des erhöhten CO2-Gehalts auf Meeresfische führten zu der allgemeinen Vorstellung, dass sie aufgrund ihrer mächtigen Mechanismen der Ionen-Regelung für die Versauerung der Ozeane nicht besonders anfällig sind. Erwachsene Kabeljaue sind in der Lage, Säure-Basen-Störungen (Larsen et al., 1997) zu kompensieren und zeigen keine wesentlichen Auswirkungen von Hyperkapnie auf die physiologische Leistung (Melzner et al., 2009a). Allerdings zeigten Studien an verschiedenen Spezies chronische Auswirkungen von Umwelt-Hyperkapnie auf Jungfische (Moran und Stottrup, 2010), und eine Empfindlichkeit der Eier und frühen Lebensstadien, die höher war als bei Erwachsenen. Es muss jedoch erwähnt werden, dass alle diese Beobachtungen für die CO2-Konzentrationen jenseits realistischer Szenarien für die Versauerung der Ozeane erzielt wurden (Ishimatsu, 2005; Kikkawa et al., 2004). Die resultierende Ansicht, dass Fische weitgehend unempfindlich gegenüber Ozeanversauerung sind, mag daher verfrüht sein.

In der Tat zeigten neuere Befunde Verhaltensstörungen bei Fischen in tropischen Korallenriffen, die Hyperkapnie-Niveaus gemäß Ozeanversauerungs-Szenarien ausgesetzt waren (Munday et al, 2009c), und ebenfalls Änderungen in der Larvenentwicklung von Kabeljau (Frommel et al., im Druck) und Hering (Franke und Clemmesen, 2011). Außerdem wurde die Hypothese, dass die Empfindlichkeit gegenüber thermischen Extremen unter den projizierten Ozeanversauerungs-Niveaus erhöht wird, in Korallenfischen bestätigt (Nilsson et al., 2009; Pörtner und Farrell, 2008). Im Allgemeinen kann die Empfindlichkeit der Fische auf die Versauerung der Ozeane bei extremen Temperaturen höher sein, eine Hypothese, die mit Fischen aus verschiedenen Klimazonen getestet werden sollte. Gleichzeitig zeigt die Allometrie der thermischen Einschränkung, dass Toleranz gegenüber extremen Temperaturen über Lebensphasen hinweg variiert und mit zunehmender Körpergröße abnimmt (z.B. Pörtner et al., 2008; Pörtner und Knust, 2007; Storch et al., 2011). Dementsprechend kann die Empfindlichkeit gegenüber OAW auch während der Ontogenese variieren, wie jüngst in Krebstieren beobachtet (Schiffer et al., in Vorb.). Die Konsequenz dieser Beobachtungen für die Larvenrekrutierung bleibt somit weiterhin zu erkunden. Diese fragmentierte Wissensbasis erfordert somit eindeutig ein besseres Verständnis davon, wie die Belastung in kombinierten CO2– und Temperatur-Szenarien zur Gestaltung des Fitness-Fensters beiträgt. Dazu gehört auch die Frage, ob alle Lebensphasen ähnlich reagieren, oder ob einige von ihnen mögliche Engpässe für das Überleben der Population darstellen.

Die meisten Lebensphasen von Kabeljau und Polardorsch ernähren sich von Plankton-Organismen (Levasseur et al., 1994; Lowry und Frost, 1981; Renaud et al., 2011). Ihre Verfügbarkeit und die ernährungsphysiologische Qualität sind ein sehr wichtiger Nebeneffekt der OAW, vermutlich mit Auswirkungen auf die Entwicklung und Leistung der frühen Lebensstadien von beiden Fischarten. Getrieben durch den Klimawandel, unterziehen Planktongemeinschaften sich gut dokumentierten Veränderungen in Zusammensetzung und räumlicher Weite (Beaugrand et al., 2009), die in einem Bottom-Up-Kontrollprozess die biogeographische Verbreitung der Beutefischbestände beeinflussen (Drinkwater, 2009; Drinkwater, 2006). In dieser Hinsicht ist es von erheblicher Bedeutung, dass von Natur aus invasive Arten eher Generalisten als Spezialisten sind und somit erfolgreicher als die einheimischen Arten bei der Anpassung an Veränderungen in Nahrungszusammensetzung und Angebot sein können (Dukes und Mooney, 1999). In den Küstengewässern von Spitzbergen spiegelt sich dies in der Nahrung von Kabeljau und Polardorsch wider (Renaud et al., 2011), mit einer vielfältigeren Zusammensetzung der Nahrungskette für Kabeljau. Dies könnte sich als vorteilhaft erweisen für die Fitness und das Potenzial des Kabeljaus, sich einem wandelnden Klima anzupassen.

Der Erfolg des Beutefangs und damit des Überlebens hängt auch vom engagierten Verhalten des Raubtieres und seiner Beutetiere ab. Studien mit tropischen Korallenrifffischen zeigten, dass Exposition gegenüber erhöhtem CO2 das Vermeidungsverhalten bei Jugendlichen stark gestört hat und in der Folge zu verstärktem Beutefang führte. Diese Verhaltensänderungen sind vermutlich durch Hyperkapnie-Wirkungen auf das zentrale Nervensystem ausgelöst. Durch die Änderung des Artenverhalten hat Hyperkapnie wahrscheinlich das Potenzial, die ausgewogenen Ernährungsnetz-Interaktionen in diesem besonderen Ökosystem durcheinander zu bringen (Ferrari et al., 2011; Munday et al., 2009a; Munday et al., 2010). Dieser Aspekt ist noch nie bei erwachsenen oder jugendlichen gemäßigten und borealen Fischen untersucht worden und muss daher bei den Interaktionen zwischen Kabeljau und Polardorsch und ihrer Beute in Betracht gezogen werden.

Die Gadidae-Familie umfasst einige der kommerziell wichtigsten Fischarten im Nordatlantik, nämlich Kabeljau, Schellfisch, Pollack und Wittling, und Polardorsch ist ebenfalls das Ziel erheblicher industrieller Fischereiaktivitäten in der Arktis (FAO Fischereistatistik). Der Kabeljau ist derzeit Gegenstand einer intensiven Aquakultur in Norwegen. Es ist daher klar, dass jegliche Veränderung in der Bevölkerungsstruktur, die von OAW verursacht wäre, weitreichende Auswirkungen nicht nur auf das Ökosystem selbst, sondern auch auf die Fischerei hätte. Es wurde ebenfalls vorgeschlagen, dass OAW schädliche Auswirkungen auf die Aquakultur (Guinotte und Fabry, 2008) haben könnte. Die sozio-ökonomischen Folgen eines solchen Szenarios müssen noch erforscht werden.

Allgemeine Zielsetzung

Dieses Konsortium wird untersuchen, wie die kombinierten Auswirkungen von OAW die verschiedenen Lebensphasen der wechselwirkenden Fischarten Gadus morhua und Boreogadus saida und ihrer Beute beeinflussen. Die Stärke des Konsortiums liegt in dem integrativen Ansatz über Ebenen der biologischen Organisation hinweg, vom Genom bis zum Ökosystem. Eng verflochtene Arbeitspakete, die sich auf mehrere gemeinsame Akklimatisierungsexperimente berufen, ermöglichen eine gründliche Analyse der sich vermeintlich verschiebenden Interaktionen zwischen den Arten und ihre Auswirkungen auf Ökosystem- und sozioökonomischer Ebene.
Die Zielsetzung beinhaltet auch die Frage, ob sich OAW unterschiedlich auf die wechselwirkenden Spezies auswirkt aufgrund von verschiedenen physiologischen Optima und Bereiche, ausgedrückt im thermischem Toleranzfenster und den damit verbundenen Leistungskapazitäten und Phenologien der spezifischen Lebensphasen. Entscheidende Mechanismen sowie Ursachen und Wirkungen werden durch die Entschlüsselung der Verbindungen zwischen den biologischen Organisationsebenen, von genomischen, molekularen, zellulären, Einzel- und Populationsebenen zugänglich gemacht. Der Umfang von Akklimatisierung (Physiologie und Verhalten) und Anpassung (Evolution), die gemeinsam die Artenwiderstandsfähigkeit definieren, wird in verschiedenen Lebensphasen untersucht (Eier, Larven, Jugendliche, Erwachsene) und das empfindlichste Element (oder Elemente) identifiziert werden. Funktionelle Determinanten der individuellen Fitness, wie Ionen- und Säure-Basen-Regulation, mitochondrialer Energiestoffwechsel und Immunantwort, werden ebenfalls geprüft werden. Darüber hinaus wird untersucht, wie diese Prozesse sowie die Fitness von Nahrungsqualität und -Verfügbarkeit beeinflusst werden.

Das Konsortium wird sich mit folgenden Fragen beschäftigen:

  • Wie wird OAW die Verbreitung von Arten, Wettbewerbsfähigkeit und Verhalten beeinflussen (WP 4.1 und 4.6)?
  • Werden Nahrungsnetz-bedingte OAW-Effekte die Anfälligkeit der Arten beeinflussen (WP 4.5, 4.8 und 4.9)?
  • Welche Lebensphasen sind am anfälligsten für OAW und tragen am meisten zu Auswirkungen auf Ökosystemebene bei (WP 4.1, 4.4, 4.5, 4.6 und 4.7)? Wie zeigen sich OAW-Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen der biologischen Organisation, wie bedingen sie einander und wie sind sie zwischen den einzelnen Ebenen miteinander verknüpft (WP 4.1, 4.2, 4.3, 4.4, 4.5 und 4.7)?

Forschungsansätze

Jedes der neun Arbeitspakete in diesem Konsortium beschäftigt sich mit einer bestimmten Ebene der biologischen Organisation, um ihre Ergebnisse in eine Vorhersage der Reaktionen auf Ökosystem-Ebene und deren sozioökonomische Folgen im Konsortium 5 (AP 5.6) zu integrieren.
Die Experimente werden in verschiedenen Laboren durchgeführt. Am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven werden erwachsene Fische und Jungfische sowie Copepoden in speziell entworfenen OAW-Akklimatisierungssystemen aufbewahrt, die während BIOACID I verbessert (und zum Teil bereits erworben) wurden. Kulturen von Larven und Jungfischen sowie Pteropoden werden unter Laborbedingungen an der Universität Bergen, Norwegen vorbereitet sowie Kulturen von Jungfischen, Pteropoden und Copepoden am AWIPEV Labor in Ny-Ålesund, Spitzbergen. Fische und Copepoden werden von wild lebenden Populationen mit FS HEINCKE um Spitzbergen und Norwegen in 2012 und 2013 in enger Zusammenarbeit mit unseren norwegischen Projektpartnern in Bergen und Tromsø gefangen. Weiterhin bearbeiten wir Fische und Eier aus der norwegischen Aquakultur und benutzen ebenfalls verschiedene Lebensphasen, die am Sven Lovén Zentrum für Marine Wissenschaften in Kristineberg, Schweden (erwachsener Kabeljau, Eier, Larven) und am Nationalen Kabeljau-Zuchtzentrum in Tromsø (erwachsener Polardorsch, Eier, Larven) kultiviert wurden.

Die Arbeitspakete 4.1, 4.2, 4.3, 4.6 und 4.7 benutzen Jungtiere aus gemeinsamen Inkubationen von juvenilem Kabeljau (Frühjahr 2013) und Polardorsch (Frühjahr 2014) bei verschiedenen Temperatur- pCO2-Kombinationen am Alfred-Wegener-Institut. Diese Inkubationen (organisiert von AP 4.1) werden daher als zentrale Drehscheibe für mehrere Arbeitspakete dienen, mit uneingeschränkten Verbindungen zwischen den Arbeitspaketen und gleichzeitiger Reduzierung des Aufwandes und der Anzahl der pro Inkubation benötigten Individuen.

Um die individuelle Akklimatisierungshistorie für jeden Jungfisch nachzuverfolgen, werden einzelne Exemplare aus jeder Abstammung gekennzeichnet und die Bevölkerungen auf ihre Bandbreite bezüglich Wachstum und sonstiger umweltanpassungs-relevanter physiologischer Leistungen („Phänotyp Gesamtorganismus“, AP 4.1) untersucht, als auch auf ihre genetische Variabilität („Genotypen“, AP 4.3). Die Studien werden auch die Vielfalt der Reaktionen festlegen, aus denen die Auswahl und weitere Anpassungen möglich sind, womit die Auflösung und Genauigkeit der Vorhersage auf Bevölkerungsebene erhöht wird. Die Analyse von Transkriptom-Reaktionen (AP 4.3), zusammen mit Anpassungen des Proteoms (AP 4.2), wird Informationen über Anpassungsmechanismen, die sich auf zellulärer und systemischer Ebene manifestieren, zur Verfügung stellen.

Die Berücksichtigung der Vielfalt innerhalb der Bevölkerung wird die Auflösung und Genauigkeit für die Vorhersage auf der Bevölkerungsebene erhöhen. Solche Vorhersagen erfordern auch die Identifizierung der empfindlichsten Lebensphasen und Übergangsphasen einschließlich Reproduktion, Befruchtungserfolg, Ei- und Larvenentwicklung und Metamorphose von Larven zu Jungtieren (AP 4.4 und 4.5). Artenspezifische Unterschiede und Verschiebungen in den Leistungskennzeichen gestalten die Interaktionen in Nahrungsketten (AP 4.5 und 4.6), so eine Hypothese. CO2 kann solche Prozesse aufgrund von Änderungen der relativen Leistung und des Verhaltens beeinflussen. AP 4.6 wird sich damit beschäftigen, die Verhaltensänderungen bei Jungfischen zu identifizieren und die neuronaler Untermauerung der OAW-Effekte auf das Verhalten mittels MRI- und NMR-Spektroskopie zu erläutern.

Für eine Aufnahme der Nahrungsketten-Effekte integrieren wir auch Copepoden und Pteropoden, die unter den gleichen OAW-Bedingungen wie in AP 4.8 und AP 4.9 aufgezogen wurden, und wir quantifizieren die Beute-Aufnahme, die Fangraten von Jungkabeljau (AP 4.6) sowie mögliche Veränderungen in der Nahrungsqualität (AP 4.8 und 4.9). Zu diesem Zweck werden die Arbeitspakete 4.8, 4.9, 4.4, 4.5 und 4.7 gemeinsame Experimente zu Copepoden und Pteropoden-Leistungen durchführen, um die Reaktionen von Eiern und Fischlarven zu CO2 und Änderungen in der Verfügbarkeit von Nahrung zu ermitteln. Die Experimente werden im Sommer 2013 durchgeführt, bei AWIPEV in Ny-Alesund, im Frühjahr/Sommer 2014, Bergen, Norwegen, und an den AWI Einrichtungen. Die Experimente werden in enger Zusammenarbeit mit unseren externen Partnern durchgeführt. Zur Prüfung der Rolle solcher Phänomene unter Feldbedingungen werden diese Arbeitspakete auch mit dem BIOACID-Konsortium 1 während der gemeinsamen Mesokosmen-Studien (KOSMOS) im Gullmar Fjord, Kristineberg, Schweden, im Frühjahr und Sommer 2013 zusammenarbeiten.
In Zusammenarbeit mit dem Brückenarbeitspaket AP 5.6 in Konsortium 5 werden wir letztendlich die sozio-ökonomischen Auswirkungen auf Fischerei und Aquakultur und ihre gesellschaftliche Relevanz etablieren. Dazu werden wir uns einem internationalen Netzwerk von Wissenschaftlern zur Ozeanversauerung, die bereits die sozioökonomischen Aspekte der OAW untersuchen, verbinden. Das stellt ein weiteres Mittel dar, die Ergebnisse dieses Konsortiums zu extrapolieren und an die Öffentlichkeit weiterzugeben.

 

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BIOACID II – Konsortium 3: Natürliche CO2-reiche Riffe als Fenster in die Zukunft: Anpassung des marinen Lebens an langfristige Ozeanversauerung und Konsequenzen für die biogeochemischen Kreisläufe

Leitung: Dr. Dirk de Beer (Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen)

Die Versauerung der Meere durch steigende Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre kann recht gut vorhergesagt werden. Die Auswirkungen auf die Artenvielfalt und biologischen Funktionen sind jedoch noch kaum abzusehen. Für Organismen mit längerer Lebensdauer lässt sich im voraus nur bedingt beurteilen, ob und wie sie und ihre Lebensgemeinschaften sich der künftigen pH-Abnahme anpassen. Kurzfristige Laborexperimente können diese Fragen auf keinen Fall beantworten. Zum Beispiel können anfängliche Stress-Reaktionen mögliche Akklimatisierungsmechanismen verschleiern. Auch evolutionäre Folgen wären durch kurze Inkubationszeiten in Frage gestellt. Hinzu kommt, dass im Zuge des Klimawandels immer eine Reihe von Faktoren auftritt, die sich gegenseitig beeinflussen.

Konsortium 3 konzentriert sich auf natürlich entstandene Riffe wie sie von tropischen Korallen oder Kaltwasserkorallen oder auch Muscheln aufgebaut werden. Diese Tiere bilden im Zuge ihres Wachstums Kalk. Wenn im Meerwasser mehr CO2 gelöst und damit weniger Karbonat-Ionen verfügbar sind, gefährdet dies den Riffaufbau und verstärkt die Erosionsgefahr – Kalk kann nur mit erhöhtem Energie-Aufwand gebildet oder vom saureren Wasser angegriffen werden. Möglicherweise gehen so Oasen der Artenvielfalt und Laich- oder Aufwuchsgebiete wichtiger Fischarten verloren.

Kaltwasserkorallen-Riff. Foto: JAGO-Team, GEOMAR

Drei Standorte in der arktischen, der gemäßigten und der tropischen Klimazone dienen den Wissenschaftlern als natürliche Labore. An CO2-Quellen vor Papua-Neuguinea, Muschelriffen in der Nord- und Ostsee und an den Kaltwasserkorallenriffen vor der norwegischen Küste untersuchen sie Mikroben, Mikro- und Makroalgen, wirbellose Tiere sowie die Korallen oder Muscheln in Verbindung mit der Karbonat-Chemie des Wassers und verfügbaren Nährstoffen. Mit ihren unterschiedlichen Lebensbedingungen fungieren die natürlichen Riffe als Fenster zur Zukunft. So können die Forscher ermitteln, wie sich die Physiologie und Fitness der Organismen, das Gefüge der verschiedenen Arten und schließlich die Funktionsweise des Ökosystems Riff verändern.

Messungen und Langzeitexperimente im Labor ergänzen die Beobachtungen und Versuche vor Ort. Bevölkerungsbefragungen liefern Erkenntnisse darüber, wie Bewohner der untersuchten Regionen das fragile Ökosystem nutzen und wie sie mit dem Wandel – insbesondere den möglichen wirtschaftlichen Verlusten – umgehen.

Mehr über die wissenschaftlichen Inhalte von Konsortium 3.

BIOACID II – Konsortium 3: Natürliche CO2-reiche Riffe als Fenster in die Zukunft: Anpassung des marinen Lebens an langfristige Ozeanversauerung und Konsequenzen für die biogeochemischen Kreisläufe

Leitung: Dr. Dirk de Beer (Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen)

Wir möchten den Zustand der zukünftigen Ozeane vorhersagen. Welche Organismen werden anwesend sein? Wie werden die Meere im globalen Stoffkreislauf funktionieren und wie können Meere als Ressource für den Menschen eingesetzt werden? Die Bedeutung der Meere für die Menschheit als Quelle für Nahrung, Erholung und auch als ästhetische und spirituelle Ressource kann nicht überschätzt werden.

Die Versauerung der Meere (Ocean Acidification, OA) durch die steigenden atmosphärischen Kohlendioxid (CO2)-Konzentrationen kann recht gut vorhergesagt werden. Umgekehrt sind die Auswirkungen auf die Artenvielfalt und biologischen Funktionen sehr schwer vorherzusagen. Da Organismen oftmals eine lange Lebensdauer haben, ist die Abschätzung, wie Organismen und Gemeinschaften sich der künftigen pH-Abnahme anpassen, schwierig und kann durch kurzfristige Laborexperimente nicht gelöst werden. Zum Beispiel können in einem kurzfristigen Experiment die anfänglichen Stress- Reaktionen die möglichen Akklimatisierungsmechanismen verschleiern, und zudem wäre die Auswertung der evolutionären Implikationen durch die kurze Inkubationszeit in Frage gestellt.

Darüber hinaus wird die Komplexität der Ozeanversauerung durch andere Veränderungen der Umwelt als dem pH-Wert erhöht. Zum Beispiel sagt die Ozeanversauerung eine erhöhte Oberflächentemperatur, erhöhte Verdunstung und damit Änderungen des Salzgehalts, eine Änderung der Metall- und Nährstoff-Konzentrationen und Chemie voraus, und separat oder zusammen wird jede Änderung die Fitness der Spezies und die Produktivität der Gemeinschaft beeinflussen. Biogene Riffe, die auf Kalkbildung angewiesen sind, können besonders anfällig sein. Eine verminderte Übersättigung gefährdet den Riffaufbau und erhöht die Erosion. Riffe verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit, da sie Hotspots der Biodiversität und Produktivität sind und zudem wichtige Laich- und Aufwuchsgebiete.

Wir werden ökologisch und ökonomisch wichtige Riffgemeinschaften aus tropischen, gemäßigten und subarktischen CO2-angereicherten Lebensräumen untersuchen, um entscheidende Fragen zu den langfristigen Auswirkungen der Ozeanversauerung zu beantworten. An solchen Standorten sollten die Spezies sich dem hohen pCO2-Gehalt des Meerwassers angepasst und entsprechend akklimatisiert haben oder verschwunden sein, und daher spiegeln die Gemeinschaften potentielle Richtungsänderungen auf neue Gleichgewichte im zukünftigen Ozean wider. Wir richten unser Augenmerk auf benthische Organismen mit Schlüsselrollen im Aufbau des Ökosystems: Riffbauer und Rohstoffproduzenten.

Die gewählten Standorte dienen als Fenster auf und Modelle für die Zukunft der Meere. Obwohl die Sichtweise undurchsichtig und eng erscheint, sehen wir sie als eine realistische Annäherung. Wir benutzen die Standorte als ein natürliches Labor und untersuchen dabei die Akklimatisierung und Anpassung von Mikroben, Mikro- und Makroalgen, Wirbellosen und Korallen entlang eines Gradienten von Karbonatchemie und Nährstoffen. Wir transplantieren Mikro- und Makro-Organismen (Korallen, Algen), um ihre Physiologie und ihr Akklimatisierungspotenzial zu untersuchen. Labormessungen sind dabei eingeschlossen, sowohl vor Ort als auch in den Instituten, um die Auswirkungen spezifischer Umwelt-Variablen zu trennen und die experimentelle Entwicklung und Anpassungskapazität von Modellorganismen über längere Zeiträume zu studieren. Schließlich werden wir mit den Beteiligten sprechen, den lokalen Gemeinschaften und anderen, die direkt von den Riffen abhängig sind. Wir hoffen zu lernen, wie diese Nutzer des Ökosystems zurechtkommen, oder wie sie planen, mit den erwarteten Veränderungen umzugehen, und wie sie das Ausmaß der wirtschaftlichen Verluste oder Gewinne unter verschiedenen Szenarien der Versauerung einschätzen.

Allgemeine Zielsetzung

Die von uns vorgeschlagenen Studien umfassen drei Ebenen: 1) Physiologie der Organismen, 2) Biodiversität und 3) das Funktionieren von Ökosystemen. Wir ermitteln die Auswirkungen der Ozeanversauerung auf Stoffwechselfunktionen und stellen fest, ob die Ozeanversauerung den Energiebedarf erhöht. Die Kenntnis darüber, welche Organismen betroffen sind, wird benutzt, um Veränderungen in der Vielfalt vorherzusagen. Schließlich wird die gemessene Abnahme oder Zunahme der Vielfalt und der Veränderungen in metabolischer Leistung zu Vorhersagen in den Veränderungen der wichtigsten Funktionen des Ökosystems führen. Ein verminderter pH-Wert, veränderte Karbonatchemie und Nährstoffgehalte beeinflussen nicht unbedingt die wichtigsten ökologischen Prozessraten von Primärproduktion und -abbau. Artenvielfalt kann sich als Reaktion auf Ozeanversauerung ändern, aber die großen biogeochemischen Prozesse können mit einer modifizierten Artenzusammensetzung (Kelly, Barott et al., 2011) aufrechterhalten werden. Zum Beispiel können kalkbildende Organismen durch nicht-kalkbildende Organismen ersetzt werden. Wir werden den zugrundeliegenden physiologischen Mechanismus für die pH-abhängige Wettbewerbsfähigkeit der Arten untersuchen, mit einem Fokus auf der pH/pCO2-Abhängigkeit ihrer Energiebudgets. Wir werden untersuchen, ob und wie die Anpassung und Gewöhnung an einen erhöhten pCO2-Gehalt auftritt, indem wir die natürlichen Lebensräume, die seit Jahrhunderten mit CO2 angereichert sind, untersuchen. Ein wichtiger Vorteil bei der Untersuchung der Physiologie von Organismen aus solchen natürlichen CO2-Standorten ist, dass diese Lebenswelt dem steigenden CO2-Gehalt seit längerer Zeit ausgesetzt war, und wir daher die Stressreaktionen umgehen und eher die Akklimatisierung und Auswirkungen beurteilen können.

Wir planen, die folgenden grundlegenden Hypothesen zu untersuchen:

  • Hypothese 1: Die Anpassung und Gewöhnung führt zu Gemeinschaften, die widerstandsfähiger gegen niedrige pH-Werte sind, und ihr Wirkungsspektrum hat ein niedrigeres pH-Optimum. Die spezifische Karbonatchemie der ausgewählten Standorte existiert seit Jahrhunderten bis Jahrtausenden. Dies ist entscheidend für die Beurteilung der Langzeiteffekte der Ozeanversauerung auf Gemeinschaftsstrukturen und Funktionsweise des Ökosystems.
  • Hypothese 2: Die Anpassung und Akklimatisierung von kalkbildenden Organismen auf erhöhten pCO2–Gehalt des Meerwassers erfordert zusätzliche Energie. Energieanforderungen beeinflussen das Wachstum und reduzieren somit die Wettbewerbsfähigkeit. Die resultierende erhöhte Anfälligkeit der Riffe führt zu einer signifikanten Verringerung der wirtschaftlichen Erträge aus diesen Ökosystemen.
  • Hypothese 3: Niedrige pH-Werte werden von erhöhten Nährstoffen und Spurenmetallen begleitet, die gegen niedrige pH-Werte schützen können. Wir werden die physiologischen Reaktionen mit Schwerpunkt auf Wachstum, Genexpression, sowie Primär- und Neuproduktions- Schätzungen bewerten. Darüber hinaus werden Reaktionen mit Einzellern und Bulk-Ansätzen bewertet, da oftmals eine Reaktion variabel sein könnte, selbst innerhalb einer Gruppe (Gattung) von Organismen.
Diese Hypothesen bilden die Grundlage der Forschung über die arktischen, gemäßigten und tropischen Riffe.

Konsortium 4 untersucht Riff-Gemeinschaften in der Arktis, in der gemäßigten Zone und in den Tropen. Grafik: BIOACID

Forschungsansätze

Wir werden eine Vielzahl von benthischen Organismen untersuchen: Korallen, Makrophyten, Mikrophytobenthos, Muscheln, Bakterien und Archaeen. Vergleiche zwischen Warmwasser- und Kaltwasserkorallen in Mesokosmen-Experimenten werden mit eingeschlossen. Die Integration des Konsortiums wird durch gemeinsame Experimente vor Ort gestärkt werden.

Studienzentren werden die CO2-Austrittsstellen in Papua-Neuguinea (PNG, tropisch), Muschelriffe in der westlichen Ost- und Nordsee (gemäßigt), und Kaltwasserkorallenriffe entlang des norwegischen Festlandsockels (subarktisch) sein. Die biologische Vielfalt des PNG-Standortes gehört zu den höchsten in der Welt (Fabricius, Langdon et al., 2011). Es gibt mehrere gut definierte Gasaustrittsstellen (sulfidisches und reines CO2), die Gradienten im Lebensraum von sauer bis Meerwasser aufrechterhalten, und die eine Vielzahl von Sediment-Typen (pH-Wert 6 bis 8.2, eisenreiche Lehm-, Silikat- und kalkhaltige Sande) beherbergen. Die ersten Feldstudien auf dem Riff vor PNG zeigen ausgeprägte Veränderungen in der Fülle der verschiedenen funktionellen Gruppen der benthischen Primärproduzenten (Korallen, Makrophyten, Kalkalgen) entlang des pH-Gradienten. Die westliche Ostsee ist durch ausgeprägte saisonale Schwankungen in pCO2 gekennzeichnet, mit mittleren Oberflächengradienten in pCO2 zwischen 400 und 700 μatm, und durchschnittlichen Sommerwerten von >1.000 μatm an einigen Standorten (Thomsen, Gutowska et al., 2010). Untersättigung von CaCO3 ist ein häufig beobachtetes Phänomen. Wir werden anders belastete Standorte in der Ostsee (niedriges pCO2, hohes pCO2) mit Standorten in der Nordsee (niedriges pCO2) vergleichen und untersuchen, ob Populationen sich einem hohen pCO2-Wert angepasst haben. Mesokosmen in Kiel werden benutzt, um die Physiologie der Kaltwasserkorallen, die bei Expeditionen zu subarktischen Standorten (in-situ pH ~ 7.8) gewonnen wurden, zu untersuchen.

Die Feldarbeit wird aus Probenahmen auf Vielfalt, Ratenmessungen und experimentelle Transplantation vom lebenden Exemplar bestehen, um ihre Fähigkeit auf Akklimatisierung auf Umweltveränderungen zu beurteilen. Darüber hinaus werden künstliche Ansiedlungsplatten innerhalb der pCO2-Gradienten angesiedelt, um Kolonisation, Vielfalt und Produktivität der sich entwickelnden Gemeinschaften zu untersuchen. Laboruntersuchungen begleiten die Feldarbeit, um Wirkungsspektren für pH-Werte und Nährstoffe zu bestimmen und die Zuweisungen zum Energiehaushalt sowie die Anpassungskapazität der Modellspezies zu studieren.

Schiffsreisen nach PNG sind für Februar 2013 und August 2014 geplant. Die Planungen für Feldarbeiten in der Nord- und Ostsee werden flexibel gestaltet.

Biogeochemie und mikrobielle Prozesse:

Wir bestimmen die physikalisch-chemischen Lebensraumparameter (z.B. pCO2, pH, Nährstoffe, Metalle, O2, Salzgehalt, Temperatur). Unterschiedliche räumliche Auflösungen sind erforderlich, um die Variabilität innerhalb des Standortes mit Hilfe von Mikrosensoren auf Mikroskalen (10-100 mm) und durch geochemische Analysen an Sedimenten und Porenwasser zu bestimmen. Datenlogger für pH, Temperatur (T) und gelösten Sauerstoff (O2) werden an den Standorten verankert, um zeitliche Veränderungen aufzuzeichnen. Darüber hinaus werden Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf, wie Kohlenstoff (C)-Fixierung, Abbau organischer Materie (aerobe und anaerobe Respiration) und N2-Fixierung entlang von Gradienten durch Ganzwasserflaschen-Inkubation gemessen. Die wichtigsten Funktionen werden evtl. nicht durch Ozeanversauerung beeinflusst, aber die mikrobiellen Gemeinschaften, die diese Aufgaben leisten, können davon abweichen. Darüber hinaus hilft der Einzeller-Ansatz mit Hilfe der hochauflösenden Nanometerskala und Sekundärionen-Massenspektrometrie (NanoSIMS) bei der Beurteilung der Zelle-zu-Zelle-Variation der metabolischen Aktivität (d.h. C- und N2-Fixierung) innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft.

Physiologie:

Auswirkungen von pCO2, T und Nährstoffen auf die Leistungen der Organismen werden beurteilt. Besondere Aufmerksamkeit wird den Energie-Haushalten geschenkt, da diese möglicherweise moduliert werden und die Wettbewerbsfähigkeit einer Gruppe verringern, vor allem in kalkbildenden Organismen. Energie-Budgets werden auf organismischer und zellulärer Ebene bestimmt, um die Kosten für pH-Homöostase, Verkalkung, Stress und Immunreaktionen zu bestimmen. Karbonat-Strukturen (Stabilität, Zusammensetzung, Mikrostruktur) werden analysiert und mit der Erosion der Riffe in Verbindung gebracht. Auswirkungen des pCO2 auf die wichtigsten Prozesse in der Primärproduktion von kalkbildenden und nicht-kalkbildenden Algen werden bestimmt. Vergleichende Untersuchungen an tropischen und Kaltwasserkorallen werden ihre pH-abhängigen Fitness- und Wachstumsraten bestimmen. Wirkungsspektren in Bezug auf pH-Wert und Nährstoffe von wichtigen mikrobiellen Prozessen werden ermittelt. Laborexperimente werden in den Laboren in Bremen, Kiel und auf Sylt durchgeführt, die Einrichtungen für CO2-Stör-Experimente haben, und ebenfalls während der Messkampagnen vor Ort.

Vielfalt und Anpassung:

Wir werden die Gemeinschaftszusammensetzung durch molekulare Methoden entlang eines Gradienten von pH-Wert und Nährstoffen bestimmen, und die wichtigsten Parameter der antreibenden Gemeinschaftsveränderungen mit mathematischen Methoden ermitteln. Physiologie und Gemeinschaftsstruktur werden mit der Chemie des Meerwassers und der Sedimente verknüpft werden. Die evolutionsbiologischen Experimente an Modell-Wirbellosen (Muscheln) werden untersuchen, ob eine hohe CO2-Toleranz, die in Bevölkerungen in Standorten mit hohen pCO2-Werten beobachtet wurde, eine vererbbare Eigenschaft ist, so dass wir das Ausmaß der vergangenen Auswahlereignisse auf Genotyp x Umwelt-Interaktionen (Hoffman und Sgro, 2011) bestimmen können. Die Studien werden sich auf niedrig-dispersive Taxa, wie brütende Korallen, Seegras und Seescheiden konzentrieren.
Sozio-ökonomische Auswirkungen der Ozeanversauerung auf Riffe:
Wirtschaftliche Auswirkungen der Ozeanversauerung auf Korallenriffe werden durch ein „Choice Experiment“ (Brander, Rehdanz et al., 2009) umgesetzt. Eine Bewertung der möglichen Veränderungen im Einkommen aus Weichtier-Fischerei und Aquakultur wird mit einer partiellen Gleichgewichtsanalyse umgesetzt und das globale Up-Scaling wird durch die Klima-Ökonomie-Modelle IMPACT und FUND (Narita, Rehdanz et al., 2011) nachempfunden. Diese Studie ist nun im AP 5.4 angesiedelt und dort im Detail beschrieben.

Integration und Management:

Das Konsortium ist konzeptionell durch die Bewältigung der gleichen Hypothesen vereinheitlicht und praktisch durch die Umsetzung ähnlicher Forschungsansätze aus den drei unterschiedlichen Lebensräumen:

Die Beschreibung der physikalisch-chemischen Lebensräume (pCO2, pH, T, Salzgehalt, Nährstoffe, Metalle, POC, Strömungen) wird eine gemeinsame Anstrengung sein und die gleichen Techniken werden benutzt werden.

Wir werden die mikrobiellen Gemeinschaftsstrukturen (inkl. Vielfalt, Reichtum) und Funktionen (Primärproduktion, Mineralisierung, N2-Fixierung) bestimmen sowie die darin enthaltenen Verschiebungen entlang der pH-Gradienten.

Ansiedlungsexperimente werden an allen drei Standorten mit Kolonisationsfliesen vorgenommen, um die mikrobielle und makrobiotische (Tier- und Pflanzen-) Vielfalt, Nachfolge und Konkurrenz zu untersuchen. Darüber hinaus kann der Fliesenansatz die Auswirkungen auf Biomasse und CaCO3– Produktion beurteilen helfen.

Physiologische Reaktionen der Bauarten der Ökosysteme (Muscheln und Korallen) werden nach langfristiger Akklimatisierung bestimmt. Die Energiehaushalte werden dazu beitragen, die Wettbewerbsstärke der wichtigsten Arten, die für die strukturelle Integrität der Riffe zuständig sind, zu erklären.

Eine Untersuchung der Karbonat-Skelette von Muscheln, Korallen und Kalkalgen wird an den drei klimatischen Standorten durchgeführt.

Wir führen an jedem Standort gemeinsame Untersuchungen durch, teilen Methoden und Daten, tauschen Studenten aus und präsentieren und diskutieren gegenseitig unsere Ergebnisse in regelmäßigen Sitzungen.

Langzeit-Experimente im Labor begleiten die Feldstudien. Foto: Armin Form, GEOMAR

Ergebnisse für das BIOACID-Konsortium

Daten über die Auswirkungen der pH-Änderung auf die Primärproduktion von benthischen Gemeinschaften und Kreisläufen allgemeiner Elemente werden für Nahrungsnetz- Studien/Modellierung zur Verfügung gestellt. Die Auswirkungen eines verstärkten Stoffwechsels kalkbildender Organismen und die daraus resultierenden reduzierten Wachstumsraten von z.B. Muscheln sind essentiell für die Muschel-Fischerei und Aquakulturen.

Wir erwarten, dass wir in der Lage sein werden vorherzusagen, ob und in welcher Form Riffe in der Lage sind, den pH-Abfall zu überleben. Besonders wichtig ist hier, ob kalkbildende Schlüsselakteure durch nicht-kalkbildende Populationen wettbewerbsmäßig ausgeschaltet werden, d.h. ob Korallen als Primärproduzenten durch Makrophyten ersetzt werden, oder ob Muschelbänke von Algen überwachsen werden.

Schließlich werden die Seefahrten nach Papua-Neuguinea von Wissenschaftlern des Konsortiums 5 begleitet werden. Mit den Lebensraumbeschreibungen bauen wir zukünftige Ökosystem-Szenarien, die verwendet werden, um die Anpassung der Küstenbewohner an die Folgen der pH-Abnahme zu untersuchen.

 

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BIOACID II – Konsortium 2: Reaktion der benthischen Gemeinschaften auf interaktiven Stress

Leitung: Prof. Dr. Martin Wahl (GEOMAR, Kiel)

 

Ökologische, evolutionäre, geologische, ozeanographische und klimatische Bedingungen steuern die Verteilung der verschiedenen Arten im Meer. Die Eigenschaften dieser Arten und ihre Anzahl sind nicht nur für ihre Rollen und Funktionen innerhalb des Systems ausschlaggebend, sondern bestimmen auch, wie die gesamte Lebensgemeinschaft auf Stress und Störungen reagiert. Zum „Stress“ können globale Faktoren wie Temperatur und pH-Wert und regionale Charakteristika werden, etwa Salzgehalt, Überdüngung oder Sauerstoffkonzentration. Hinzu kommen die Einwanderung neuer Arten, Überfischung, Umweltverschmutzung und bauliche Veränderungen an der Küste.

Bisherige Studien haben Auswirkungen einzelner Störungen auf einzelne Arten erforscht. Wenig bekannt ist jedoch, wie eine Gemeinschaft aus mehreren Spezies auf eine Kombination von Stressoren reagiert. Wir wissen, dass sich unsere marinen Lebensgemeinschaften ändern werden – jedoch nicht, in welcher Richtung, in welchem Umfang und mit welchen Konsequenzen für das Ökosystem.

Das BIOACID-Konsortium 2 „Reaktion der benthischen Gemeinschaften auf interaktiven Stress“ will eine Kombination von Klimawandel-Faktoren in Lebensgemeinschaften simulieren, die am Boden der Nord- oder Ostsee existieren. Temperaturanstieg und Abnahme des pH-Werts im Wasser (Versauerung) stehen dabei als verbreitetste und folgenreichste Parameter im Mittelpunkt.

Für die Versuche wurden regionstypische Wasserpflanzen aus der Nord- und aus der Ostsee samt der von ihnen abhängigen Arten ausgewählt: der Blasentang Fucus vesiculosus und das Seegras Zostera marina / Zostera noltii. Seegras- und Blasentang-Gemeinschaften sind in beiden Meeren weit verbreitet und spielen wichtige Rollen als Primärproduzenten, Kohlenstoffsenken, Wasserfilter, Stabilisatoren von Sedimenten, Energiequellen für Mikroben und Pflanzenfresser sowie als Lebensraum für Aufwuchsorganismen und Jungfische.

Um die klimawandelbedingte Veränderungen dieser Lebensgemeinschaften genauer zu beleuchten, wurden in Kiel und in List auf Sylt Benthokosmen, Versuchstanks mit einem Fassungsvermögen von 4.000 Litern eingerichtet. In den Behältern lassen sich Temperatur, pH-Wert, Sauerstoff, Salzgehalt, Licht, CO2-Druck, Nährstoffe und weitere Werte detailliert steuern. Mehrere drei bis vier Monate lange Versuche auf Sylt und in Kiel helfen, einzelne und interaktive Auswirkungen einer Vielzahl von Belastungen auf die vertretenen Arten und auf die Lebensgemeinschaft besser zu verstehen.

Mehr über die wissenschaftlichen Inhalte von Konsortium 2.

Das erste BIOACID-Experiment in den Kieler Benthokosmen beginnt. Foto: Jan Steffen, GEOMAR
BIOACID II – Konsortium 2: Reaktion der benthischen Gemeinschaften auf interaktiven Stress

Leitung: Prof. Dr. Martin Wahl (GEOMAR, Kiel)

Die geographische Verteilung der Arten ist das Ergebnis der ökologischen und evolutionären (Anpassung, Nischen-Differenzierung), geologischen (z.B. Verteilungsbarrieren), ozeanographischen und klimatischen Einstellungen (z.B. Salzgehalt, Temperatur, Licht und deren Fluktuationen) (siehe auch: Kearney et al., 2010). Die Überlappung der Verteilungsflächen der Arten in einer Region bestimmen zusammen mit den Lebensraumbedingungen (Tiefe, Substrat, biotische Interaktionen) die Zusammensetzung der lokalen benthischen Lebensgemeinschaften. Schließlich bestimmen die Identitäten und relativen Häufigkeiten einer Spezies in einer Gemeinschaft die Ökosystem-Dienstleistungen, deren zeitliche Schwankungen und ebenso die Sensitivität der Gemeinschaft gegenüber Stress und Störungen (Wahl, 2009 und darin enthaltene Artikel).

Wenn sich die abiotische Einstellung im Zuge des Klimawandels verschiebt, ist zu erwarten, dass die Zusammensetzung und die Funktionsweise der lokalen Gemeinschaften sich ebenfalls ändert (siehe auch: Harley et al., 2006). In den kommenden Jahrzehnten werden sich viele Umgebungsvariablen gleichzeitig sowohl auf globaler Ebene (z.B. Temperatur, pH-Wert) als auch auf regionaler Ebene (z.B. Salzgehalt, Schichtung, Eutrophierung, Sauerstoffkonzentration) ändern. Darüber hinaus wird die Rate der Restrukturierung von Lebensgemeinschaften durch weitere Merkmale des globalen Wandels, wie Bioinvasionen, Überfischung, Umweltverschmutzung und küstennahe Bauvorhaben (siehe auch: IPCC 2007) beschleunigt.

Zahlreiche Studien haben die Auswirkungen der verschiedenen Stressoren auf einzelne Spezies gezeigt, aber der kombinierte Effekt von mehreren Variablen auf eine Multi-Spezies-Gemeinschaft – das natürliche Szenario – ist praktisch unerforscht (siehe auch: Wahl et al., 2011). Inwieweit die Vielfalt und biotische Interaktionen der Gemeinschaften die Auswirkungen modulieren, wird derzeit lebhaft diskutiert (siehe auch: Mooney et al., 2002; Raffaelli, 2006).

Die am weitesten verbreiteten und möglicherweise gravierendsten Auswirkungen des Klimawandels auf globalem Niveau werden von einem Anstieg der Temperatur und einer Abnahme des pH-Wertes (siehe auch: Kroeker et al., 2010) erwartet. Auf regionaler Ebene können jedoch auch andere Verlagerungen, wie das zunehmend intensivere und/oder häufigere Auftreten von Eutrophierung, Hyposalinität und Hypoxie, die Bedeutung der vorgenannten Faktoren einholen oder sogar übertreffen (siehe auch: BACC Autorenteam, 2010; Schernewski et al., 2011).

Der Mangel an Untersuchungen in nahezu natürlichen Szenarien (multiple Stressoren, Multi-Spezies-Gemeinden) schafft die unglückliche Situation, dass wir wissen, dass unsere marinen Lebensgemeinschaften sich ändern werden, jedoch nicht, in welche Richtung, in welchem Umfang und mit welchen funktionellen Konsequenzen. Folglich war die Motivation für dieses Konsortiums-Projekt die, unser Verständnis für die laufende und künftige Umstrukturierung eines wesentlichen Teils des marinen Ökosystems, der makrophyten Gemeinschaften, zu verbessern. Dieses Projekt wird sich auf die Auswirkungen der multifaktoriellen Szenarien des Klimawandels, auf die Struktur und das Funktionieren der Makrophyten-Gemeinschaften der Ostsee und der Nordsee, zusammengesetzt aus einem Metaorganismus (Makrophyten plus Aufwuchsorganismen) und den Verbrauchern, konzentrieren. Die Hauptspezies dieser Gemeinschaften sind das Seegras Zostera marina/Z. noltii, auf weichem Boden lebend, und die braune Makroalge Fucus vesiculosus, auf hartem Untergrund lebend. Seegras- und Blasentang-Gemeinschaften sind in beiden Meeren weit verbreitet und spielen eine wichtige ökologische und ökonomische Rolle als Primärproduzenten, Kohlenstoffsenken, Wasserfilter, Stabilisatoren von Sedimenten, Energiequellen für Mikroben und Pflanzenfresser, und ebenso als Anbieter von Untergrund und Infrastruktur für Aufwuchsorganismen und Jungfische (siehe auch: Mangi et al., 2011).

Allgemeine Zielsetzung

Wir beabsichtigen die direkten Auswirkungen der Einzel- und kombinierten Belastungen auf die Leistung der Makrophyten (Toleranzbreite, physiologische Plastizität, Überleben, Produktivität, Reproduktion) als auch auf ähnliche Messgrößen der damit verbundenen Tier- und Pflanzenwelt wie epibiotische Gemeinden (Bakterien, Diatomeen, Makro-Epibionten) und Verbraucher (Schnecken, Krebstiere) zu untersuchen.

Wir werden die Kapazität der Makroorganismen ermitteln, sich den zukünftigen Klimaszenarien durch phänotypische Plastizität und selektive Mortalität anzupassen, und wir werden prüfen, wie sich die mikrobiellen und makrobiellen Gemeinschaften unter Umweltstress neu strukturieren. Schließlich werden wir beurteilen, wie die genetische und/oder taxonomische Neuordnung auf dem Bevölkerungs- und Gemeinschaftsniveau die wesentlichen Leistungen der Gemeinschaft, wie Sauerstoffproduktion, Kohlenstoff-Fixierung, Produktivität, Aufnahme von Nährstoffen und mehr, beeinflussen.

So wird das Projekt übergreifend die biogeochemischen, genetischen, physiologischen, biologischen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte betrachten und eine breite Palette von phylogenetischen Gruppen wie Bakterien, Kieselalgen, Bryozoen, Seepocken, Polychaeten, Krebstiere, verschiedenen Makroalgen und Seegras einschließen. Offensichtlich braucht eine solche Herausforderung ein breites Spektrum an Techniken und Kompetenzen. Diese kritische Masse wird durch das Clustering aller Teilprojekte und deren Doktoranden um eine Reihe von Kernexperimenten in den Benthokosmen-Einrichtungen in Kiel (Ostsee) und auf Sylt (Nordsee) erzielt werden.

Wir werden folgende Fragen stellen:

Wie beeinflussen die Umweltbelastungen

  • die Physiologie der Makrophyten?
  • die genetische Zusammensetzung der Makrophyten-Populationen und ihre Empfindlichkeit
  • gegenüber weiteren Belastungen?
  • die Interaktion zwischen Makrophyten und deren Aufwuchsorganismen und Verbraucher?
  • die Zusammensetzung und Funktionsweise epibiotisch bakterieller Gemeinschaften?
  • die Zusammensetzung und Funktionsweise mikroepiphytischer Gemeinschaften?
  • die Flüsse von Energie und Materie über die Makrophyten-Gemeinschaften?
  • die ökologische und ökonomische Bedeutung der Makrophyten-Gemeinschaften?

Forschungsansätze:

Die gesamte Forschung konzentriert sich auf eine Reihe von Kernexperimenten mit Makrophyten-Gemeinschaften in den Kieler und Sylter Benthokosmen. Die Kieler Infrastruktur besteht aus experimentellen Einheiten (4.000 Liter), teilbar in zwei Untereinheiten, die beide in jeder Hinsicht, mit Ausnahme der Temperatur, voneinander unabhängig sind. Eine ähnliche Anlage wird am Standort Sylt im Sommer 2012 errichtet werden. Wichtige Umweltvariablen wie Temperatur, pH-Wert, Sauerstoff und Salzgehalt, werden kontinuierlich aufgezeichnet und automatisch gesteuert. Zusätzliche Variablen wie Licht, pCO2, Nährstoffe, DOC, POC, Chl a, Alkalinität, DIC, werden „manuell“ überwacht und gesteuert (siehe AP 6).

Wir werden mehrere aufeinander folgende Versuche mit Zostera und Fucus, jeweils von drei bis vier Monaten Dauer, durchführen. Diese Zeitspanne erlaubt eine physiologische und genetische (selektive Mortalität von Rekruten) Reaktion der Makroorganismen, Neustrukturierung von mikrobiellen Gemeinschaften, und eine Neu-Funktionalität im Sinne der biotischen Verschiebungen und biogeochemischen Signale.

Die aufeinander folgenden Experimente ermöglichen es, die einzelnen und interaktiven Auswirkungen einer Vielzahl von möglichen Belastungen auf dem Arten- und kommunalen Niveau zu untersuchen. Da die Versauerung Bestandteil aller Versuche sein wird, erlaubt das Projekt auch die Beurteilung der relativen Bedeutung dieses Faktors im Vergleich zu anderen Aspekten des globalen Wandels (Erwärmung, Hyposalinität, Hypoxie, Eutrophierung). Da die verschiedenen Bestandteile der Gemeinschaften unterschiedliche Phasen ihres Lebenszyklus und verschiedene physiologische Zustände im Laufe eines Jahres durchlaufen, werden wir das erste Experiment (Versauerung x Erwärmung) in allen vier Jahreszeiten wiederholen.

Es ist wichtig, dass wir die natürlichen Schwankungen aller Umweltvariablen in Betracht ziehen und unsere Behandlungsfaktoren diesen überlagern. Wir arbeiten daher mit Delta-Operationen in allen Jahreszeiten, das heißt der Umgebungstemperatur der Kieler Förde sowie der vorhergesagten Temperaturerwärmung von 3-5°C bis zum Ende des Jahrhunderts (siehe auch: Schernewski et al., 2011) oder dem Umgebungs-pH-Wert der Ost- oder Nordsee (oder pCO2) minus (plus) der vorhergesagten Änderung für das Jahr 2100 (siehe auch: BACC Autorenteam, 2010). Eine mäßige Durchströmung mit ungefiltertem Meerwasser (ca. eine Nachfüllung pro Woche) schließt die Benthokosmos-Einheiten an die natürlichen Schwankungen der Nährstoff-, Salzgehalts-, oder Plankton- (einschließlich potenzieller Rekruten-) Zusammensetzung im angrenzenden Meer an. Zusammenfassend werden die „nicht-gestressten“ Behandlungen den in-situ-Bedingungen sehr ähnlich sein, während die „gestressten“ Behandlungen den in-situ Bedingungen zzgl. der für 2100 berechneten globalen Änderungswerte entsprechen werden.

Seegras-Gemeinschaften werden in erster Linie in den Sylter Benthokosmen untersucht werden, während die Fucus-Gemeinschaften hauptsächlich in den Kieler Benthokosmen untersucht werden. Dies spiegelt die Expertise der lokalen Gruppen und die relative regionale Bedeutung der beiden Makrophyten-Gruppen wider. Gleichzeitig werden an beiden Standorten vergleichende Versuche mit der primären Zielgruppe des anderen Standorts, das heißt Fucus auf Sylt und Zostera in Kiel ausgeführt, so dass die Auswirkungen der Stressbelastung zwischen den Populationen vergleichbar sind. Der experimentelle Ansatz dieses Konsortiums deckt damit die beiden großen Gruppen von Makrophyten (Algen und Seegras) und zwei große Lebensraumtypen (harter Boden und Sedimente) ab.

 

Benthokosmen-Kernexperimente (KE):

Vier große Kernexperimente werden ausgeführt:

  • (1) In einer ersten Phase kreuzen wir orthogonal die beiden Faktoren Versauerung und Erwärmung und untersuchen ihre Auswirkungen auf die Ostsee- und Nordsee-Gemeinschaften der Fucus, gefolgt vom gleichen Versuch in allen vier Jahreszeiten. Dieses Design ermöglicht die Entflechtung der Einzel- und interaktiven Stress-Wirkungen und den Einfluss der Jahreszeit. Auf Sylt wird die gleiche Behandlungskombination in Paralleltanks auf die Nordsee-Gemeinschaften der Zostera angewandt. Der Versuch wird dreifach wiederholt.
  • (2) Danach unterwerfen wir die Fucus-Gemeinschaften einer dreifachen Behandlung von Versauerung, Eutrophierung und Erwärmung, sowohl auf Sylt als auch in Kiel mit den jeweiligen Populationen. Dieses Experiment wird in einem „Klima-Simulations-Modus“ laufen, das heißt, wir kreuzen die drei Faktoren nicht orthogonal (aus Mangel an experimentellen Einheiten), sondern lassen einzelne Benthokosmen-Einheiten im Rahmen einer zukünftigen Klima-Einstellung bezüglich dieser drei Faktoren laufen. Dieser Ansatz ermöglicht die Bewertung der Auswirkungen eines komplexen globalen Wandels in zwei Jahreszeiten (Winter, Sommer) mit einem Replikationsfaktor von 6.
  • (3) In einem dritten Kernexperiment (eingelagert in Kernexperiment 2) wird der gleiche Versuch wie in Kernexperiment 2 mit Zostera Gemeinschaften im Frühjahr und Herbst (Kiel und Sylt) und im Sommer (Sylt) ausgeführt.
  • (4) Das letzte Experiment ist vergleichbar mit Kernexperiment 2, aber der dritte Faktor ist der vorhergesagte Rückgang des Salzgehaltes. Es läuft in einer Saison (Frühjahr), die nicht vom Kernexperiment 2 abgedeckt ist, und dauert einen Monat länger. Die Zielgemeinden sind Fucus (Kiel) und Zostera (Sylt). Der Wiederholungsfaktor ist 6.

Daten für alle APs werden regelmäßig aufgezeichnet (siehe AP-Beschreibungen). Zwei Wochen vor dem Ende eines Kernexperiments wird ein Impuls von ungünstigen Bedingungen (Hypoxie, Hitzewelle) angewandt, um einzuschätzen, wie die durch das simulierte Klima gestressten Gemeinschaften sich in ihrer Empfindlichkeit gegenüber einer zusätzlichen Störung relativ zu den unbelasteten Gemeinschaften unterscheiden.

Die Doktoranden der sechs APs werden eng bei diesen Kernexperimenten zusammenarbeiten und ihre sämtlichen Proben und Daten aus dem gleichen System beziehen. Dies gewährleistet eine maximale Vergleichbarkeit. Zusätzliche kleinere Experimente für ergänzende Fragen zum Kernexperiment werden im Labor oder den Klimakammern der Institute ausgeführt. Damit Aufwand und Kosten realistisch bleiben, führen die APs 1 und 6 vergleichende Arbeiten über Zostera und Fucus in Kiel und auf Sylt durch, AP 4 richtet großes Augenmerk auf Fucus (Kiel), jedoch nicht ohne Berücksichtigung von Zostera, und APs 2, 3 und 5 beschränken ihre Bemühungen auf die Kieler Kernexperimente mit Fucus.

Somit stellt AP 4 die Information bereit, wie und in welchem Ausmaß die Zielspezies (Fucus, Zostera) durch die experimentelle Behandlung beeinflusst werden. Das Zusammenspiel der frühen Lebensstufen-Stress-Sensitivität auf diese Szenarien und intraspezifische genetische Diversität wird innerhalb von AP 5 behandelt. Der Einfluss dieser physiologischen Reaktionen der Substratorganismen, die direkten Auswirkungen der Behandlung auf die Biofilme und der Interaktion zwischen den Biofilm-Komponenten wird durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den APs 2, 3 und 4 aufgezeigt. Die Ergebnisse dieser APs wird einen Großteil der Wechselwirkungsverschiebungen aus AP 1 erklären, die wiederum Einblick gibt auf die Wirkung des abiotischen Stresses, moduliert durch biotische Verschiebungen. Auf kommunaler Ebene werden letztendlich die Verschiebungsflüsse zwischen den Komponenten von AP 6 untersucht und somit die Quantifizierung der Wirkungsweisen im Hinblick auf die Ökosystem-Dienstleistungen. Der Mehrwert dieser engen und komplementären Zusammenarbeit auf gezielte Meta-Organismen in gemeinsamen Kernexperimenten ist somit ein vollständiges Bild der Reaktionen auf kommunaler Ebene auf Einzel- und interaktive Belastungen.
Alle in den APs erzielten Daten werden in zwei unabhängige Modellierungsansätze eingespeist. (1) Ein mechanistisches Gemeinschaftsmodell simuliert den Einfluss aller abiotischen und biotischen Wechselwirkungen von Fucus vesiculosus und die Auswirkungen der interagierenden Faktoren auf deren Leistung (Wachstum, maximale Tiefenverteilung). (2) Eine ökologische Netzwerk-Analyse wird die Ergebnisse für jede der behandelten Gemeinschafts-Module, die als experimentelle Einheiten verwendet wurden, synthetisieren. Dies ermöglicht einen Vergleich des Systemverhaltens von gestressten und ungestressten Systemen und zeigt Änderungen durch die Modifizierung spezifischer Systemindizes sowie die zyklische Struktur der Stoff- und Energieflüsse, insbesondere zwischen primären und sekundären Produzenten, an. Es erlaubt ebenfalls einen Vergleich der Bereitstellung von Ökosystemleistungen für jedes der analysierten Systeme und charakterisiert ihre globalen Systemeigenschaften.

 

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BIOACID II – Konsortium 1: Pelagische Ökosysteme unter Ozeanversauerung: Ökologische, biogeochemische und evolutionäre Reaktionen

Leitung: Prof. Dr. Ulrich Sommer (GEOMAR, Kiel)

Die Bedeutung des pelagischen Systems des Ozeans steht außer Zweifel. Der Ozean deckt 70 Prozent der Erdoberfläche ab und trägt ca. 50 Prozent zur globalen Primärproduktion bei. Das menschliche Interesse am pelagischen System – dem Freiwasser – basiert auf den folgenden Dienstleistungen des Ökosystems:

  • Biologische Kohlenstoff-Pumpe: Die Produktion organischer Substanz in der sonnenbeschienenen Oberfläche des Ozeans und deren Export in die Tiefe ist der wichtigste Prozess zur Sequestrierung von atmosphärischem CO2 im tiefen Ozean.
  • Fischerei: Die pelagische Produktion bildet die Nahrungsgrundlage der pelagischen Fischerei.
  • Erholungswert des Meeres: Eine Fehlfunktion des pelagischen Ökosystems kann zu einer schädlichen Algenblüte (Harmful Algae Blooms, HABs) führen, die ernsthaft den Erholungswert des Meeres beeinträchtigen könnte.

Bis jetzt sind ausreichend Beweise für die Auswirkungen der Ozeanversauerung auf einzelne planktonische Arten gefunden worden. Wie zuvor vermutet, sind die kalkbildenden Gruppen die empfindlichsten. Darüber hinaus gibt es vereinzelt Beweise dafür, dass versauerungsresistente Phytoplanktonarten mit biochemischen Veränderungen reagieren und damit ihren Nährwert für Zooplankton reduzieren, und somit den Aufwärts-Transfer von Materie und Energie im Nahrungsnetz beeinträchtigen. Aus der Perspektive der Ökosystem-Dienstleistungen stellt dies einen Verstärkungseffekt dar. Es ist nicht bekannt, in welchem Umfang dieser Effekt durch alternative trophische Wege kompensiert werden kann, z.B. durch Aufnahme von Protisten durch Mesozooplankton („trophic upgrading“; Klein Breteler, 1999), was diese Wirkung dämpfen könnte. Insgesamt wissen wir noch nicht, in welchem Umfang die Wechselwirkungen und Feedback- Mechanismen innerhalb des pelagischen Ökosystems als Verstärker oder Stoßdämpfer der Versauerungseffekte wirken.

Während die Auswirkungen der Versauerung und anderer Arten von Umweltveränderungen (z.B. Klimaerwärmung, Eutrophierung) zumeist isoliert voneinander untersucht wurden, gibt es einen Mangel an Studien, wie diese Faktoren zusammen wirken. Theoretisch gesehen sind additive, synergistische (mehr als additiv) und antagonistische (weniger als additiv, d.h. effektminderende) Wechselwirkungen von Effekten möglich, aber a priori ist eine solche Kenntnis nicht ohne die Untersuchung der Auswirkungen in einem kreuzweise faktoriellen Versuchsaufbau möglich. Eine hohe Priorität sollte den Faktoren CO2 und Erwärmung gegeben werden, da beide unweigerlich durch den Treibhauseffekt verknüpft sind.

Jüngste Forschungen in der evolutionären Ökologie legen nahe, dass die evolutionäre Anpassung der Arten einen potenziellen Dämpfungsmechanismus (Hoffmann und Sgro, Nature, 2011) darstellen könnte. Sie würde damit das Fortbestehen der Spezies gewährleisten, obwohl die Umweltbedingungen sich außerhalb der gegenwärtigen Nische einer Spezies bewegen. Im Umgang mit Mikroben mit kurzer Entwicklungszeit, z.B. einzelligem Phytoplankton, sind Evolutionsexperimente der „Gold-Standard“ zum Nachweis der Evolvierbarkeit (Collins und Bell, 2004), doch die meisten von ihnen sind bisher mit einzelnen Spezies durchgeführt worden, die einem einzelnen und konstanten unterworfen wurden. Es ist nicht bekannt, ob eine ähnlich rasche Entwicklung auch in natürlichen Ökosystemen stattfindet, in denen das Zusammenspiel mit anderen Arten zusätzliche und zeitlich variable Selektionsfaktoren mit sich bringt, die außerhalb der Veränderungen der physikalisch-chemischen Umwelt liegen. Vorläufige Modellierungsergebnisse zeigen, dass eine Vielfalt auf Artenebene die adaptive Evolution verhindern könnte (De Mazancourt et al., 2008), jedoch fehlen empirische Daten dazu gänzlich.

 

Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir eine Ökosystem-Perspektive und eine Kombination der Faktoren CO2 und Erwärmung in BIOACID II brauchen.

Zielsetzung

Um die Auswirkungen der Ozeanversauerung in Kombination mit Ozeanerwärmung auf die Ökosystem-Dienstleistungen, die vom pelagischen System bereitgestellt werden, vorherzusagen, müssen wir verstehen, wie sie die Verteilung von Energie und durch Primärproduktion fixierte Materie in den verschiedenen konkurrierenden Pfaden des pelagischen Systems beeinflussen: Nahrungskette, mikrobieller Kreislauf, Export und Produktion von refraktär gelöstem organischem Material (dissolved organic matter, DOM). Wir brauchen Kenntnisse über den Umfang der Auswirkungen von Ozeanversauerung in Kombination mit Meereserwärmung auf die Häufigkeit, das Ausmaß und die Toxizität von schädlichen Algenblüten. All diese Veränderungen könnten durch evolutionäre Anpassung gedämpft werden, die jedoch verstanden werden müssen, bevor verlässliche Vorhersagen möglich sind.

Wir schlagen daher folgende übergreifende Forschungshypothesen vor:

  • Die Versauerung der Meere und die Kombination der Ozeanversauerung mit Erwärmung wird die Kohlenstoffsequestrierung über Veränderungen des vertikalen Flusses und/oder die Aufteilung zwischen gelöster und partikulärer organischer Substanz reduzieren.Die Versauerung der Meere und die Kombination der Ozeanversauerung mit Erwärmung wird die Rolle des mikrobiellen Umwegs gegenüber der klassischen Nahrungskette erhöhen.
  • Die Versauerung der Meere und die Kombination der Ozeanversauerung mit Erwärmung wird den mikrobiellen Umsatz organischer Substanz und die natürliche Freisetzung von CO2 aus dem Meer verstärken.
  • Die Versauerung der Meere und die Kombination der Ozeanversauerung mit Erwärmung wird die Produktion von bio-resistentem DOM verändern.
  • Die Versauerung der Meere und die Kombination der Ozeanversauerung mit Erwärmung wird die Qualität der mikrobiellen Nahrung (Anteil an schlecht essbaren Algen, Stöchiometrie, Fettsäuren) für Mesozooplankton verschlechtern, insbesondere für Copepoden, und damit verschlechtert sich die Nahrungsgrundlage von pelagischen Fischen.
  • Die Versauerung der Meere und die Kombination der Ozeanversauerung mit Erwärmung wird das Auftreten, das Ausmaß und die Toxizität von schädlichen Algenblüten erhöhen.
  • Die Reaktion der höheren Aggregationsebenen (trophische Ebenen, Gesamtökosystem) wird weniger ausgeprägt sein als die Reaktionen einzelner Arten, die in BIOACID I festgestellt wurden.
  • Kurzlebige Arten werden in der Lage sein, Veränderungen der Umwelt über adaptive Evolution zu folgen und das lokale Aussterben verhindern, während langlebige Spezies das nicht können.
  • Die evolutionäre Anpassung, eingebettet in experimentelle Ökosysteme, kann alle oben genannten kurzfristigen Änderungen modulieren. Die Anpassung wird jedoch im Kontext eines Ökosystems langsamer vor sich gehen als in Experimenten mit einzelnen Arten/einzelnen Faktoren.

Wir sind uns bewusst, dass einige der vorhergesagten Reaktionen möglicherweise von Besonderheiten der regionalen Ökosysteme, wie z.B. dem Vorhandensein/Nichtvorhandensein von kalkbildendem Plankton, N2-Fixierern oder toxischen Dinoflagellaten abhängen. Deshalb schlagen wir vor, unsere experimentellen Studien in drei verschiedenen Ökosystemen durchzuführen: im subtropischen Nordatlantik in der Nähe von Gran Canaria als Vertreter des oligotrophen Ozeans, in der Nordsee als Vertreterin der eutrophen Küstenregionen, und in der Ostsee als Vertreterin der eutrophen Küstengewässer mit reduzierter Alkalinität und Anfälligkeit für schädliche Blüten der N2-fixierenden Cyanobakterien.

Labor-Experimente lassen vermuten, dass sich bestimmte Arten durch Evolution an den Klimawandel anpassen können. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR

Forschungsansätze

Als Konsequenz unseres Ökosystem-orientierten Ansatzes werden die Kernaktivitäten des Konsortiums aus Mesokosmos-Experimenten bestehen, wobei die Reaktion des Planktonanteils des pelagischen Nahrungsnetzes und die biogeochemischen Prozesse als Reaktion auf die experimentelle Beeinflussung untersucht werden können.  Wir werden zwei Arten von Mesokosmen-Systemen verwenden:

Die großen Systeme (Kosmos: Kiel Offshore Mesocosms for Future Ocean Simulation) haben ein Volumen von bis zu 80 m3 und werden in-situ vor Gran Canaria (im subtropischen Atlantik) und im Gullmar Fjord in der Nähe von Kristineberg, Schweden (Nordseegewässer) eingesetzt werden.

Die kleinen Systeme (Kiel Indoor Mesocosms) haben ein Volumen von 1,4 m3 und sind in vier temperatur-kontrollierten Räumen installiert, wodurch eine faktorielle Kombination aus CO2 und Temperaturänderungen ermöglicht wird. Sie werden in zwei Ostsee-Experimenten eingesetzt werden (eines während der Cyanobakterien-Saison, und eines während der Kieselalgen-dominierten Saison).

Jede der ökologischen und biogeochemischen APs des Konsortiums wird an zwei oder mehr Mesokosmos-Experimenten teilnehmen, während die evolutionären APs an mindestens einem Mesokosmos-Experiment teilnehmen und parallel dazu Experimente mit Einzel-Spezies durchführen werden, um die evolutionäre Geschwindigkeit ihrer Zielarten in Isolation mit der evolutionären Geschwindigkeit bei Einbettung in einem gestressten Ökosystem zu vergleichen.

Das Kosmos-Experiment im Gullmar Fjord (Februar bis Juli 2013) wird aus neun Mesokosmen mit pCO2-Niveaus zwischen Umgebungsbedingungen bis ca. 1.800 μatm bestehen. Die ungewöhnlich lange Dauer erlaubt eine Folge von Algenblüten und ist besonders attraktiv für die evolutionären APs. Die Planktongemeinschaft im Gullmar Fjord enthält mehrere Dinoflagellaten mit dem Potenzial, schädliche Blüten zu bilden. Das Kosmos-Experiment vor der Küste von Gran Canaria (für das Frühjahr 2014 geplant) wird aus neun Mesokosmen mit pCO2-Niveaus zwischen Umgebungsbedingungen bis ca. 1.800 μatm bestehen. Es wird während einer Saison durchgeführt, wenn Stickstoff-fixierende Cyanobakterien und kalkbildendes Phytoplankton (Coccolithophoriden) einen wesentlichen Beitrag zur Phytoplankton-Gemeinschaft liefern.

Das Ostsee-Herbst-Experiment (September/Oktober 2012) wird 12 Mesokosmen umfassen, die aus einer Kombination von drei pCO2-Niveaus von 390, 750 und 1.200 μatm und zwei Temperaturniveaus bestehen, die jeweils zweimal repliziert werden. Das Experiment fällt in eine Jahreszeit, in der Diatomeen und Dinoflagellaten der Phytoplankton-Gemeinschaft dominieren.

Das Ostsee-Sommer-Experiment (Juli/August 2013) wird 12 Mesokosmen umfassen, die aus einer Kombination von drei CO2-Niveaus von 390, 750 und 1.200 μatm und zwei Temperaturniveaus bestehen, die jeweils zweimal repliziert werden. Das Experiment fällt in eine Saison, wenn diazotrophe Cyanobakterien zu einer schädlichen Blüte führen können.

Die evolutionären APs werden Bakterien, Phytoplankton und eine Copepoden-Art als Modell- Organismen benutzen, d.h. mit einem Gradienten in Generationszeiten (von weniger als einem Tag bis zu mehreren Wochen) und von asexuell reproduzierenden einzelligen Arten zu Metazoen mit obligater Sexualität.

Mesokosmen, die wie riesige Reagenzgläser im Wasser schwimmen, isolieren bis zu 80 Kubikmeter Wasser für Langzeitversuche. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR

 

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BIOACID II – Konsortium 1: Pelagische Ökosysteme unter Ozeanversauerung: Ökologische, biogeochemische und evolutionäre Reaktionen

Leitung: Prof. Dr. Ulrich Sommer (GEOMAR, Kiel)

Der Ozean bedeckt etwa zwei Drittel der Erdoberfläche. Pflanzen und Bakterien im Wasser produzieren etwa die Hälfte der global verfügbaren Biomasse. Für den Menschen stehen drei „Dienstleistungen“ des Ozeans im Vordergrund:

  • Der Ozean nimmt Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf und speichert dieses Treibhausgas in der Tiefe.
  • Der Ozean liefert Fische und andere Meerestiere als Nahrung.
  • Der Ozean stellt einen unschätzbaren Erholungswert dar.

Immer wieder haben Wissenschaftler festgestellt, das Plankton empfindlich auf Ozeanversauerung reagiert. Während einige Arten unter der Versauerung leiden, scheinen andere zu profitieren, wenn mehr Kohlendioxid im Wasser gelöst wird. Diese Effekte setzen sich von der Basis der Nahrungskette bis zu deren Ende fort – etwa, wenn wirtschaftlich wichtige Fischarten oder bereits durch Überfischung bedrohte Bestände durch den Wandel im Meer weniger Nahrung finden.

Noch ist unklar, wie sich Stoff- und Energieflüsse im Zuge der Ozeanversauerung verändern und wie sich diese Veränderungen auf einander auswirken. Auch die Auswirkungen des Temperaturanstiegs, der Überdüngung (Eutrophierung) oder der Verschmutzung sowie die wechselseitigen Einflüsse dieser Faktoren sind bisher nur ansatzweise erforscht. Genauso offen ist, ob bestimmte Organismen in der Lage sind, sich durch Evolution an den Wandel im Ozean anzupassen. Laborexperimente mit einzelnen Arten legen dies zwar nahe, doch Untersuchungen unter natürlichen Bedingungen hierzu stehen noch aus.

Ziel des Konsortiums 1 „Pelagische Ökosysteme unter Ozeanversauerung“ ist daher, die Auswirkungen einer Kombination verschiedener Umweltveränderungen, insbesondere der Versauerung und des Temperaturanstiegs auf die gesamte Lebensgemeinschaft im Freiwasser zu untersuchen. So lässt sich schließlich auch besser abschätzen, inwieweit der Ozean der Zukunft seine „Dienstleistungen“ weiter bereitstellen kann.

In verschiedenen Mesokosmen-Experimenten im Labor und im Freiland simulieren die BIOACID-Wissenschaftler mögliche Veränderungen: Die in Kiel entwickelten Mesokosmen – Schwimmkonstruktionen, die jeweils bis zu 80 Kubikmeter Wasser einschließen – werden 2013 für Untersuchungen im schwedischen Gullmarfjord und 2014 im subtropischen Nordatlantik vor Gran Canaria eingesetzt. Am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel werden vier Laborräume mit Mesokosmen genutzt, um zu verfolgen, wie sich Lebensgemeinschaften in der Ostsee im Herbst und im Sommer unter erhöhten Temperatur- und CO2-Bedingungen entwickeln.

Mehr über die wissenschaftlichen Inhalte von Konsortium 1.

In sogenannten Mesokosmen simulieren Forscher zukünftige Lebensbedingungen.
Foto: Maike Nicolai, GEOMAR
Indoor-Mesokosmen ermöglichen Versuche unter streng kontrollierten Labor-Bedingungen.
Foto: Aleksandra Lewandwoska, GEOMAR
Wissenschaftliches Programm BIOACID II

Um die Kette von biologischen Mechanismen, den Reaktionen von Organismen auf die Ozeanversauerung und deren Auswirkungen auf Nahrungsnetze und Ökosysteme, bis hin zu den ökonomischen Konsequenzen besser zu verstehen, haben sich in der zweiten Phase von BIOACID fünf Konsortien zusammengeschlossen.


Wissenschaftliches Programm BIOACID I

(nur Englisch)

Five thematic areas have been identified which cover the range of processes from the base of the marine food chain to the community and ecosystem level, and of mechanisms from the sub-cellular to the whole organism level. In view of their distinct sensitivities to ocean acidification, calcification and carbonate dissolution processes will be the focal point of a separate theme. According to these research priorities the scientific programme of BIOACID I is structured as follows:


Wissenschaftliches Programm BIOACID III

Die übergreifenden Ziele für die Abschlussphase von BIOACID sind die Verbindung der unterschiedlichen Forschungsbereiche und die Bereitstellung von ganzheitlichen Beurteilungen der beobachteten biologischen Reaktionen auf multiple Einflussfaktoren und den ihnen zugrunde liegenden Mechanismen auf Ebene von Organismen, Populationen, Lebensgemeinschaften und Ökosystemen bis hin zu Ökosystemleistungen.

Um die Synthese der einzelnen Forschungsergebnisse zu erleichtern, wird das BIOACID III Konsortium in drei Hauptthemen unterteilt. Jedes davon deckt den Bereich von den Reaktionen auf Ebene der Organismen bis hin zu Lebensgemeinschafts- und Ökosystemeffekten sowie zu biogeochemischen Auswirkungen  und Konsequenzen für Ökosystemleistungen ab. Jedes dieser Themen wird zum integrierenden Assessment beitragen, welches Risikoeinschätzungen, die Entwicklung von zukünftigen Szenarien, Managementoptionen und das Anbieten von Politikberatung beinhalten.

Das Wissenschaftliche Programm für BIOACID III ist wie folgt aufgeteilt:


BIOACID III – Thema 2: Veränderung von Struktur und Funktion in Benthischen Ökosystemen

Koordination:
Martin Wahl, GEOMAR,
Ulf Karsten, Uni Rostock

Beteiligte Wissenschaftler:
Tal Dagan, CAU
Thorsten Reusch, GEOMAR
Birte Matthiessen, GEOMAR
Helmut Hillebrand, Universität Oldenburg
Frank Melzner, GEOMAR
Ulf Gräwe, IOW
Ulf Karsten, Universität Rostock
Martin Wahl, GEOMAR
Katrin Rehdanz, IfW

Ozeanversauerung als fortschreitendes Umweltproblem stand während der vergangenen Jahre im Brennpunkt der Forschung von BIOACID I und II, aber von auch zahlreichen anderen Initiativen weltweit. Während in der ersten Projektphase die Versuchskonzepte eher eindimensional waren, trug BIOACID II der aufkeimenden Erkenntnis Rechnung, dass Interaktionen zwischen Umweltfaktoren auf der „Treiberseite“ aber auch zwischen Organismen auf der „Antwortseite“ für eine realistische Einschätzung der Bedeutung von Ozeanversauerung berücksichtigt werden müssen.

Mit Hilfe der Benthokosmen in Kiel (GEOMAR) und auf Sylt (AWI) wurden die Reaktionen von Makrophytengemeinschaften (mit Makroalgen, Seegras, Meerasseln, Flohkrebsen, Seepocken, Miesmuscheln, Seesternen und Fischen) auf die interagierenden Faktoren Erwärmung, Versauerung und Jahreszeit sowie Eutrophierung (Überdüngung) und Sauerstoffmangel untersucht.

In der dritten Phase von BIOACID sollen die vielfältigen Reaktionen der komplexen benthischen Gemeinschaften auf mehrfaktoriellen und fluktuierenden Klimawandel modelliert werden. Außerdem soll die sozioökonomische Bedeutung unserer Ergebnisse zu erfasst und Empfehlungen für gesellschaftliche und politische Konsequenzen aus dem neu erlangten Verständnis abgeleitet werden.

Mehr über das wissenschaftliche Programm von Thema 2

BIOACID III: Integrierendes Assessment

Beteiligte Wissenschaftler:
Ulf Riebesell, GEOMAR
Hans-Otto Pörtner, AWI
Thorsten Dittmar, Universität Oldenburg
Maren Voss, IOW
Martin Wahl, GEOMAR
Ulf Karsten, Universität Rostock
Felix Mark, AWI
Stefan Gößling-Reisemann, Universität Bremen
Kathrin Rehdanz, IfW
Martin Quaas, CAU
Wolfgang Koeve, GEOMAR
Felix Ekardt, Universität Rostock
Konrad Ott, CAU

Die vorrangige Herausforderung in der Ozeanversauerungsforschung wird sein, den in den unterschiedlichen  Bereichen erzielten Erkenntnisgewinn in eine ganzheitliche Beurteilung zu integrieren und damit zu einer umfassenden Bewertung der Risiken und Unsicherheiten zu kommen. Wegen der Dringlichkeit des Problems ist es wichtig, jenen Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die von besonderer gesellschaftlicher Relevanz sind, d.h. welche mit Ökosystemleistungen im Zusammenhang stehen und zu Managementoptionen und Politikberatung führen können.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, wird BIOACID III eine systembasierte ganzheitliche Beurteilung der mit der Ozeanversauerung in Verbindung gebrachten Risiken und Ungewissheiten durchführen, als eine übergreifende Maßnahme, welche alle BIOACID Teilprojektleiter einbezieht. Die Synthese der gewonnenen Erkenntnisse wird unter Federführung einer hiermit betrauten Taskforce „Integrierendes Assessment“, bestehend aus Koordinatoren, Themenleitern und ausgewählten Teilprojektleitern, stattfinden.

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BIOACID III – Thema 3: Auswirkungen von Ozeanversauerung und Erwärmung auf natürliche und menschliche Gemeinschaften: Mechanismen, Vulnerabilitäten und gesellschaftliche Anpassung

Koordination:
Felix Christopher Mark, AWI
Stefan Gößling-Reisemann, Universität Bremen

Beteiligte Wissenschaftler:
Daniela Storch, AWI
Catriona Clemmesen, GEOMAR
Martin Quaas, CAU
Felix Mark, AWI
Silke Lischka, GEOMAR
Hans-Otto Pörtner, AWI
Stefan Gößling-Reisemann, Universität Bremen

 

Marine Ökosysteme sind immer stärker vom Klimawandel betroffen. Während Ozeanversauerung und -erwärmung global wirken, kommen regional weitere Belastungen wie etwa Sauerstoffmangel hinzu. Umweltveränderungen können sich einerseits direkt auf den Stoffwechsel verschiedener Lebensstadien von marinem Zooplankton, Wirbellosen und Fischen, andererseits aber auch indirekt über die veränderte Zusammensetzung und Qualität der Beziehungen im Nahrungsnetz auswirken. mehr …

BIOACID III – Thema 3: Auswirkungen von Ozeanversauerung und Erwärmung auf natürliche und menschliche Gemeinschaften: Mechanismen, Vulnerabilitäten und gesellschaftliche Anpassung

Thema 3 gründet auf Vorarbeiten zu den Auswirkungen der Ozeanversauerung und -erwärmung auf marine Invertebraten und Fische aus BIOACID I und II und wird in sieben eng verzahnten Arbeitspaketen die Vulnerabilität verschiedener Lebensstadien mariner Tiere aus verschiedenen Tiergruppen, Habitaten und Ökosysteme über alle organisatorischen Ebenen (Molekül – Organismus – Population – Ökosystem) analysieren.

Hierzu wird eine integrative Datenbank aufgebaut, die die Effekte auf die verschiedenen Organismen mit besonderem Augenmerk auf einzelne Stoffwechselwege, besonders empfindliche Lebensstadien und Interaktionen in den Nahrungsnetzen und Ökosystemen ermittelt. Diese Datenbasis ist speziell auf die Bedürfnisse dieses Themas zugeschnitten und schließt positive wie negative Effekte ein. Sie erlaubt ferner eine Parametrisierung der Effektgrößen, um die Daten für Meta-Analysen und Modellierung aufzubereiten, um die Konsequenzen für die Ökosystemleistungen und die betroffenen gesellschaftlichen Akteure ableiten zu können.

Ziel der übergreifenden Synthese ist es, ein zusammenhängendes Bild der beteiligten Mechanismen und Schwellenwerte sowie der daraus resultierenden Effektgrößen zu entwerfen. Daraus lassen sich Verwundbarkeiten verschiedener Arten und Tiergruppen, Effekte auf der Ebene von Nahrungsnetzen und Ökosystemen und schließlich die sozio-ökonomischen Konsequenzen von Ozeanversauerung und -erwärmung ableiten.

Die Hauptziele dieses Themas sind:

  • Identifizierung der empfindlichsten Lebensstadien und Übergangsphasen wichtiger Taxa, um Konsequenzen für Arten und Tiergruppen in ihrem Habitat zu ermitteln
  • Identifizierung von Schlüsselstoffwechselprozessen und –schwellen innerhalb und zwischen verschiedenen Arten
  • Evaluierung von Ozeanversauerungs- und -erwärmungseffekten auf Arten- und Nahrungsnetzdynamik
  • Evaluierung von Änderungen in der Ökosystemfunktion, Habitatverlust, Verdrängung und Austausch von Arten in Ökosystemen mit hoher und niedriger Variabilität
  • Erstellung von Meta-Analysen und Parametrisierung für Modelle
  • Bewertung der Abhängigkeiten zwischen ökologischen (Bestandsgröße), ökonomischen (Profite), konsumbezogenen (Fangmengen), und sozialen (Fischerei) Argumenten für das Fischereimanagement
  • Quantifizierung der Unsicherheiten für Effekte auf kommerziell wichtige Fischbestände, die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen und für Vorschläge für eine ökonomisch effiziente
    Adaptation des Fischereimanagements
  • Bewertung der Konsequenzen für Ökosystemleistungen, Identifikation der Anliegen von Anspruchsgruppen und möglicher sozialer Adaptationsstrategien

Thema 3: Arbeitspakete und Struktur

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BIOACID III – Thema 2: Veränderung von Struktur und Funktion in Benthischen Ökosystemen

Die große Herausforderung der dritten Phase von BIOACID wird darin bestehen, die sehr reichhaltigen Ergebnisse in synthetisierende Modelle einzupflegen, welche unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Dazu sind folgende Schritte notwendig:

  • Identifizierung und Archivierung aller relvanten Daten aus BIOACID I und II sowie aus rezenten Publikationen zu dem Themenbereich
  • Evaluierung des Potentials zur Adaptation an komplexen Umweltstress (wodurch auch eine typische Schwäche zeitlich begrenzter Experimente teilweise kompensiert würde)
  • Entwicklung mehrerer komplementärer Modellierungen zu beschreibenden aber teilweise auch prognostizierenden Zwecken
  • Entwicklung neuer Konzepte der Vermittlung von komplexen Erkenntnissen an Nichtfachleute und der Erfassung der Bereitschaft der Gesellschaft zur informationsbasierten Verhaltensänderung

Arbeitskonzept
In der anstehenden Synthesephase (BIOACID III) werden die Mitglieder des Themas 2 in fünf parallelen und komplementären Arbeitssträngen die wesentlichen Elemente für das angestrebte Gesamtbild erstellen.

Die Anpassungsfähigkeit von Arten und letztendlich Gemeinschaften an Umweltstress über „klassische“ (Mutationen, Selektion) und alternative (Epigenetik) Wege wird per Metaanalyse aus der rapide wachsenden Literatur inklusive der innerhalb von BIOACID I und II erlangten Ergebnisse herausgearbeitet. Eine bessere Kenntnis der Anpassungsfähigkeiten sind wesentliche Voraussetzung für die nachfolgenden Modellierungen.

Die mittel- bis langfristigen Effekte von Umweltstress können nicht nur durch die erwähnte Anpassungsfähigkeit moduliert werden, sondern auch durch Verschiebungen von direkten und indirekten biotischen Wechselwirkungen innerhalb des Ökosystems. Dieses Potential wird durch ein Strukturgleichungsmodell (Structural equation modeling, SEM) auf Gemeinschaftsebene eruiert.

Unser in BIOACID I und II erlangtes mechanistisches Verständnis zur Auswirkung von komplexen aber plausiblen Umweltveränderungen auf die Miesmuschel Mytlius edulis wird auf eine sowohl zeitlich als auch räumlich höhere Skala projiziert. Es sollen klimatologische, hydrodynamische und biologische Modelle gekoppelt werden um Veränderungen in Vorkommen und Verbreitung dieser ökonomisch und ökologisch wichtigen Muschelart in der Ostsee abschätzen zu können.

Ein neuartiges Modell wird die Vielzahl der erlangten Ergebnisse nutzen um die Veränderungen von benthischen Gemeinschaften unter Umweltstress zu simulieren. Die Herausforderung besteht darin multiple Treiber und multiple Antworten miteinander zu verknüpfen und, wenn möglich, auch die natürlichen Fluktuationen miteinfließen zu lassen. Das fertige Modell soll visualisiert und interaktiv nutzbar gemacht werden.

Eine wichtige Aufgabe in der Klimafolgenforschung ist die Interaktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Es sollen Wege gefunden werden, die den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft in beide Richtungen ermöglichen und den Abgleich von Wissen und Wissensbedarf optimieren. Auch sollen die Kenntnisse über zu erwartenden Ökosystemveränderungen in Ratgeber für Entscheidungsträger „übersetzt“ werden.


Thema 2: Arbeitspakete und Struktur.

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BIOACID III – Thema 1: Pelagische Ökosysteme und Biogeochemie

Ziel von Thema 1 ist, das Verständnis der Auswirkungen von Ozeanversauerung und anderen Umweltfaktoren auf Plankton-Gemeinschaften und biogeochemische Funktionen zu festigen und Informationen für ein integrierende Folgen-Abschätzung zu liefern. mehr …

BIOACID III – Thema 1: Pelagische Ökosysteme und Biogeochemie

Koordination:
Thorsten Dittmar, Universität Oldenburg
Maren Voss, IOW

Beteiligte Wissenschaftler:
Maarten Boersma, AWI
Kai Wirtz, HZG
Hans-Peter Grossart, IGB
Thorsten Dittmar, Universität Oldenburg
Ulf Riebesell, GEOMAR
Maren Voss, IOW
Andreas Oschlies, GEOMAR
Wolfgang Koeve, Julia Getzlaff, GEOMAR

Die bis zum Ende des Jahrhunderts zu erwartende Ozeanversauerung wird pelagische Organismen und Gemeinschaften deutlich beeinflussen. Insbesondere kalkbildende Organismen werden von reduzierten pH-Werten in ihrer Funktionsweise negativ betroffen sein. Es ist außerdem davon auszugehen, dass ein erhöhter CO2-Partialdruck die Primärproduktion in der Wassersäule anregt.

Experimentelle Studien zeigten weiterhin, dass pelagischen Organismen bei erhöhtem CO2-Partialdruck verstärkt kohlenhydratreiche Polymere ausscheiden, die zur einer verstärkten Partikelbildung führen können. Potentiell könnten diese Partikel den Kohlenstoff-Export steigern und somit globale biogeochemische Kreisläufe beeinflussen. Auch die relativ konstante Stöchiometrie der Kohlenstoff- und Stickstoff-Aufnahme in der Primärproduktion könnte durch Ozeanversauerung verändert werden und die Elementkreisläufe beeinflussen.

Es ist jedoch noch zu klären, inwieweit sich die experimentell gewonnen Erkenntnisse auf natürliche pelagische Nahrungsnetze und großräumige biogeochemische Kreisläufe extrapolieren lassen. Ebenfalls offen ist, inwieweit die experimentellen Anordnungen die Ergebnisse beeinflusst haben könnten.

Eine umfassende und integrierende Bewertung der Implikationen der Ozeanversauerung, unter Berücksichtig ko-variierender Faktoren ist dringend erforderlich. Ziel von Thema 1 ist, eine Zusammenschau der bisherigen empirischen Erkenntnisse zu erstellen, welche die Grundlage für mechanistisch ausgelegte Prozessmodelle bildet. Diese Modelle sollen Vorhersagen ermöglichen, um den Einfluss der Ozeanversauerung auf pelagische Ökosysteme und deren Funktion im weiteren Kontext abzuschätzen.

Eine umfassende und integrierende Bewertung der Implikationen der Ozeanversauerung, unter Berücksichtig kovariierender Faktoren ist dringend erforderlich. Hierbei sollte eine Zusammenschau der bisherigen empirischen Erkenntnisse die Grundlage für mechanistisch ausgelegte Prozessmodelle bilden. Diese Modelle sollten Vorhersagen ermöglichen, um den Einfluss der Ozeanversauerung auf pelagische Ökosysteme und deren Funktion im weiteren Kontext ermöglichen.

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