Risikobewertung der Ozeanversauerung

Eine der wichtigsten wissenschaftlichen Grundlagen für die politische Entscheidungsfindung liefert der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) mit seinen regelmäßigen Sachstandsberichten zum globalen Klimawandel.

Für die fünfte Ausgabe definierte der IPCC fünf aktuelle „Gründe zur Besorgnis“ (Reasons for Concern, RFC), acht Grundrisiken und vier Risikoniveaus. Die „Burning Ember“-Diagramme – eine Bezeichnung, die so viel wie „glühende Kohle“ bedeutet und auf den Farbverlauf anspielt – fassen die Risiken des Klimawandels optisch zusammen. Das zugehörige Narrativ vertieft die grafische Darstellung.

Dem IPCC-Vorbild folgend fasst BIOACID seine Ergebnisse hier zusammen, um die Integration in den kommenden, sechsten Sachstandsbericht zu erleichtern. Berücksichtigt sind dabei auch Ergebnisse einer Meta-Analyse von Hun­derten von Einzelstudien – einschließlich vieler Untersuchungen aus dem Projekt selbst – die im Rahmen von BIOACID angefertigt wurde.

Das hier präsentierte „Burning Ember“-Diagramm und das dazugehörige Narrativ geben einen globalen Überblick über die Auswirkungen von Ozeanversauerung und -erwärmung und ergänzen damit die in dieser Broschüre vorgestellten Fallbeispiele. Ein globales Bild kann jedoch nicht ohne eine Vielzahl regionaler und lokaler Erkenntnisse zusammengesetzt werden.

 

Narrativ

Das Risiko schädlicher Effekte ist bei heutigen Konzentra­tionen an Kohlendioxid (CO2) noch moderat. Beobachtungen im Ökosystem zeigen bereits eine beeinträchtigte Kalk­schalenbildung bei Foraminiferen und Flügelschnecken, sie sind wichtige Glieder der Nahrungskette. An der Westküste Nordamerikas werden Verluste in Austernkulturen auf die Kombination von Ozeanversauerung mit küstennahem Auftrieb von CO2-reichem Wasser zurückgeführt.
Bei Ozeanversauerung allein (linke Säule, ohne gleichzeitige Wirkung von Extrem­temperaturen) erfolgt der Übergang in eine Hochrisikozone bei etwa 500 ppm, mit deutlich nega­tiven Effekten auf 30 bis 50 Prozent der Kalkbildner wie Korallen, Echinodermen, Mollusken, kalkbildende Makro­algen, darunter besonders tropische Arten.
Jenseits von 700 ppm werden die Risken sehr hoch, mit abnehmender Fähigkeit sich anzupassen; der Anteil betroffener Arten steigt. Bei kalkbildenden Wirbellosen werden diese Schlussfolgerungen sowohl durch heutige Beobachtungen in Gebieten mit natürlich erhöhtem Kohlendioxid bestätigt (vulkanischen Ursprungs oder im Auftrieb), als auch durch ähnliche Effekte während evolutionärer Krisen in der Erd­­geschichte. Aktuelle Befunde weisen auch darauf hin, dass der kombinierte Druck von Temperatur­extremen und Versauerung die Eintrittsschwellen zu niedri­geren CO2-Konzentrationen verschiebt (Korallen und Krebstiere).
Bei Korallenriffen verstärkt dies schon heute das Risiko großflächiger Verluste durch extreme Stürme, Fraßdruck und Ausbleichen. Beobachtungen in der Erdgeschichte legen nahe, dass Effekte andauernder Ozeanversauerung bei Wirbellosen über Jahrhunderte nicht kompensiert werden.
Ob dies auch für heutige Ökosysteme gilt ist unklar; für Fische liegen solche Erkenntnisse nicht vor, allerdings sind sie von vor allem temperaturbedingten Habitatver­lusten betroffen. Auch sind unsere Kenntnisse über Mechanismen der Kompensation, ihre Kapazität und die Grenzen evo­lutionärer Anpassungsmöglichkeiten bei Ozean­versauerung und -erwärmung begrenzt.

Aktualisiert auf der Basis von: O’Neill et al., 2017, Nature Climate Change, 7, 28–37, doi:10.1038/nclimate3179


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