Pralles Leben

Das Meer macht etwa 90 Prozent des belebten Raums auf unserem Planeten aus. Bis jetzt sind weniger als fünf Prozent dieser Gefilde erforscht. Viele marine Pflanzen und Tiere warten noch immer darauf, entdeckt zu werden. Dank seiner Artenvielfalt erfüllt der Ozean viele wichtige Funktionen und sichert das Wohlergehen der Menschheit.

 

Planet Ozean: das Reich der Artenvielfalt

Von winzigen einzelligen Organismen bis zu den gewaltigen Meeressäugern: Der Ozean beherbergt eine Fülle an Arten. Unzählige warten noch darauf, entdeckt zu werden. Vor der Entwicklung der Menschheit war die Vielfalt der Pflanzen und Tiere an Land und im Meer sogar noch größer. Vor allem seit Beginn des Anthropozäns haben wir das Leben auf der Erde immens verändert. Wir verstehen noch nicht voll­ständig, welche Auswirkungen die Umweltveränderungen haben werden, die wir durch unseren Lebensstil hervorrufen. Aber wir wissen, dass sie letztlich wiederum unser Dasein beeinflussen werden. Schon allein darum sollten wir unseren Einfluss auf die Natur so gering wie möglich halten.

Der Ozean bedeckt zwei Drittel unseres Planeten und macht etwa 90 Prozent des belebten Raums auf der Erde aus. Aber bis jetzt haben wir weniger als fünf Prozent dieser Gefilde erkundet. Der Census of Marine Life, ein internationales, auf zehn Jahre angelegtes Vorhaben, das die Arten­vielfalt im Ozean untersuchte, entdeckte mehr als 6.000 neue Lebewesen im Meer. Und dennoch konnten die Mitglieder dieses Projekts nicht einmal abschätzen, wie viele Arten in den Küstengebieten vorkommen – den Regionen, die wir am besten zu kennen glauben. Ihre Schätzungen schwankten zwischen rund 180.000 und 10 Millionen.

 

Tropische Korallenriffe: Oasen der Artenvielfalt

Tropische Korallenriffe vermitteln einen Eindruck davon, welche Vielfalt marines Lebens an einem einzigen Ort entfalten kann. Die Riffe bedecken zwar nur ein Prozent des Ozeans, beherbergen aber ein Viertel der heute bekannten Arten. Ein Quadratmeter dieser Oasen des Artenreichtums beheimatet etwa 1.000 verschiedene Spezies.

Mit der Erwärmung steigt das Risiko von Korallenbleichen, von denen sich die Organismen nur schwer wieder erholen. Modellrechnungen zufolge müsste der Temperaturanstieg auf 1,2 Grad Celsius begrenzt werden, um zumindest die Hälfte der Riffe zu erhalten. Zusätzliche Risiken durch Ozeanversauerung sind bei diesen Prognosen jedoch noch gar nicht einbezogen.

Steinkorallen, die das Fundament jedes bunten Riffs dar­stellen, bilden ihre festen Skelette aus Aragonit, der löslicheren Form des Kalziumkarbonats (Kalk). Im saureren Wasser wachsen sie langsamer – unter Extrembedingungen langsamer als das Riff erodiert. Zudem bleibt ihr Skelett empfindlicher und damit anfälliger für Stürme oder auch für Organismen, die sich ins Innere der Korallen bohren oder ihre Kalkstrukturen angreifen. Weil zudem einige Korallen­arten besser als andere mit den Umweltver­änderungen zurechtkommen, kann der Klimawandel die Vielfalt der Riffe reduzieren.

 

Diversität sichert wichtige Funktionen

Biodiversität, die Vielfalt an Arten, genetischem Material und biologischen Lebensgemeinschaften, ist Voraussetzung für das Funktionieren eines Ökosystems – und letztlich auch für das Wohlergehen der Menschheit. Nur, wenn die verschiedenen Organismen ihre Rollen innerhalb eines marinen Ökosystems erfüllen, kann der Ozean seine Funktionen und Produktivität aufrechterhalten: Er reguliert unser Klima und liefert uns Nahrung, er bietet Inspiration und Erholung, er prägt das kulturelle Selbstverständnis. Der Verlust von Arten birgt Gefahren für natürliche Systeme sowie die Güter und Dienstleistungen, die sie für uns erbringen.

 

Güter, Services und Anpassungsfähigkeit in Gefahr

Je reicher an Arten eine marine Lebens­gemeinschaft ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich an Umwelt­veränderungen anpassen kann. Dies liegt daran, dass in einem diversen Ökosystem verschiedene Lebewesen ähnliche interne Funk­tionen erfüllen und Interaktionen unterstützen.

Auf der anderen Seite werden Systeme, zu denen nur wenige Arten gehören oder die auf spezialisierten Schlüsselarten basieren, als besonders empfindlich betrachtet. Beispiele für solche marinen Lebensgemeinschaften sind die Arktis und Ant­­arktis. Daher bedürfen die Polarmeere eines besonderen Schutzes.


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