Verpflichtungen für Politik und Gesellschaft
Fossile Brennstoffe sind die Hauptquelle für Treibhausgasemissionen und Luftschadstoffe. Und beide sind nicht nur Treiber für den Klimawandel insgesamt, sondern auch für die Ozeanversauerung. Naturwissenschaftliches Faktenwissen über Meere und Klima allein motiviert Gesellschaft, Unternehmen und Politik jedoch nur begrenzt, beispielsweise ihre Emissionen zu reduzieren. Für BIOACID wurde das in breiter Auswertung der ganz verschiedenen verhaltenswissenschaftlichen Forschungsrichtungen aufgearbeitet. Oft steht kurzfristiges Eigennutzendenken im Wege. Relevant sind auch emotionale Faktoren wie Bequemlichkeit, Gewohnheit und die Schwierigkeit, komplexe und nicht im Alltag fühlbare Vorgänge wie Klimawandel und Ozeanversauerung als dringende Probleme zu erleben. Ein gesellschaftlicher Wandel hin zu einem nachhaltigen Leben und Wirtschaften gelingt nur in einem Wechselspiel aller Akteure. Besonders wichtig ist das Einüben neuer Normalitätsvorstellungen. Der bisherige alltägliche emissionsintensive Lebensstil in Industriestaaten und z.T. auch Schwellenländern gerät damit in den Blick.
Für Bürger, Unternehmen und Politik gleichermaßen wichtig ist, dass eine bloße Verlagerung der Probleme keine Lösung bietet – also etwa das Ausweichen auf neue Gewässer, wenn einige Meere leergefischt sind. Ebenso wenig führt es weiter, wenn Emissionen in Europa reduziert werden, indem die Produktion hiesiger Konsumgüter mitsamt der Emissionen sich in andere Länder verlagert. Ozeanversauerung und Klimawandel sind damit das Paradebeispiel eines wirklich globalen Problems: Rein nationale Strategien dagegen reichen definitiv nicht aus.
Davon ausgehend wurden Optionen einer wirksamen Ozeanversauerungs-Politik untersucht. Eine solche muss im Kern einen raschen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen wegen deren erwähnter zentraler Rolle vorschreiben. Der wirksamste Mechanismus dafür ist, die fossilen Brennstoffe bei Strom, Wärme, Treibstoff und stofflichen Nutzungen (wie Dünger) in klaren Schritten politisch durch ein Mengensteuerungssystem aus dem Markt zu nehmen. Das wäre ein drastisch reformierter EU-Emissionshandel. Anders als dieser müssten jetzt aber alle Sektoren erfasst sein, und die Mengenbegrenzung muss anders als bisher so festgelegt sein, dass man in maximal 20 Jahren bei null fossilen Brennstoffen anlangt. Dies gebietet neben den Menschenrechten (dazu unten) Art. 2 des Pariser Klima-Abkommen, das rechts- und politikwissenschaftlich analysiert wurde. Die Norm begrenzt die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau. Verfährt man so, adressiert man mit Ozeanversauerung, Klimawandel, aber auch Schadstoffbelastungen von Luft, Wasser und Böden und dem Schwinden der Biodiversität mehrere von den Fossilen geprägte Umweltprobleme.
In allgemeiner Form legen auch das globale Seerecht und Naturschutzrecht fest, dass den Gefahren begegnet werden muss. Den oben gezeigten Ansatz können sie aber nicht ersetzen. Keine große Hilfe bei globalen Umweltproblemen wie Ozeanversauerung und Klimawandel ist das Anlagenordnungsrecht und das Haftungsrecht. Zwar können konkrete Schäden entstehen, etwa wenn Fischer geringe Fänge in saureren Meeren erzielen. Jedoch können solche Folgen nicht sinnvoll einzelnen Emittenten zugeordnet werden.
Neben dem erwähnten Klima- oder Naturschutzvölkerrecht verlangen auch die in BIOACID ebenfalls analysierten Menschenrechte ein wirksames politisches Einschreiten gegen globale Umweltgefahren wie Ozeanversauerung und Klimawandel. Denn die Menschenrechte sind auch Rechte auf die elementaren Freiheitsvoraussetzungen wie das Vorhandensein von Nahrung, Wasser oder eines stabilen Klimas. Der Schutz mariner Ökosysteme fällt zumindest teilweise darunter. Denn Ökosystem-Leistungen sind beispielsweise das Bereitstellen von Nahrung, das Binden von Treibhausgasen oder die Biodiversität. Diese für die Menschheit überlebenswichtigen Leistungen der Meere sind durch ein Voranschreiten von Ozeanversauerung und Klimawandel bedroht.
Prof. Dr. Felix Ekardt | Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik, Leipzig/Berlin
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